Historische Blaetter 2. (1921)
Berthold Molden: Das Schicksal der Deutschen und der Weltkrieg
er auch, wie er in den kritischen letzten Julitagen den Zaren mit stärkstem Mißtrauen gegen Deutschland erfüllte, das damals, wie wir wissen, die äußersten Anstrengungen machte, um den Weltkrieg zu verhindern. Er erzählt, wie er den Zaren, der den vernünftigen Einwand erhob, daß es doch hieße, dem Kaiser Wahnsinn zuzumuten, wenn man glaubte, daß er einen Kampf gegen drei Großmächte, wie Frankreich, Rußland und England, herbeiführen wolle, der aber dem Kaiser persönlich nicht wohlgesinnt war, durch eine zugespitzte Charakteristik Wilhelms zu seiner Meinung zu bekehren wußte. Man hat hier ein Dokument dafür, wie der Weltkrieg gefühlsmäßig vorbereitet wurde. Die Revanchestimmung gehört in die Geschichte Frankreichs mit historischer Notwendigkeit, da sie ja im Gefolge des von den Königen ererbten Kampfes gegen die allezeit gefürchtete Einigung Deutschlands entstanden ist. Aber sie flutete und; ebbte, und sie wäre wahrscheinlich mit der Zeit abgelaufen, wenn Deutschland die Eignung besessen hätte, das Elsaß, dieses alte deutsche Land, so wie es im Jahre 70 das ganze deutsche Volk hoffte, zu assimilieren. Die elsässische Frage ist ein trauriges Erbteil des Zeitalters der Religionskriege, aber Deutschland hätte seither Gelegenheit gehabt, das Unglück von damals gutzumachen. Der Gesinnung nach ist das Elsaß erst durch die Revolution französisch geworden, und Deutschland war im Jahre 1742, also ein halbes Jahrhundert vor ihrem Ausbruch, nahe daran, es zurückbekommen. Kardinal Fleury hatte Österreich zerstören wollen, aber Kaiserin Maria Theresia kämpfte gegen Frankreich mit Glück, und ihre Heere waren schon im Begriffe, ins Elsaß einzudringen, als Friedrich II. von Preußen, um ihr nicht einen Erfolg zu gönnen, der den habsburgischen Namen wieder hoch erhoben hätte, ihr zum zweiten Male Krieg ansagte. Im Jahre 1870 war die Volkssprache im Elsaß zwar noch deutsch, aber das Denken der höheren Klassen und aller, die mit dem Amtsleben in Berührung kamen, war französisch. Ein Plebiszit wäre höchstwahrscheinlich für Frankreich ausgefallen, daß aber Deutschland deswegen auf die Rücknahme verzichte, wäre zu viel verlangt gewesen. Nicht nur, daß die deutschen Militärs erklärten, die Vogesengrenze zum Schutz gegen die französischen Angriffe — ihrer sechzehn waren, wie man zählte, seit Ludwig XIV. erfolgt — zu brauchen; es war auch die fast allgemeine Ansicht, daß der elsässische Bruderstamm, der immer so kerndeutsch gewesen war, nach einiger Zeit zu Deutschland zurückfinden werde, und daß es ein Verrat an den nationalen Interessen wäre, die Gelegenheit ungenützt zu lassen. Was Metternich im Jahre 1814 abgelehnt hatte — Kaiser Alexander bot ihm