Historische Blaetter 2. (1921)
Eduard v. Wertheimer: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrássy (1876-1877)
Versprechen und erführe das Gortschakow, so werde er dasselbe als Provokation betrachten und diese gegen ihn und Deutschland aus- beuten. Er — so erläuterte Bismarck seine Worte — halte es überhaupt nicht mehr für zeitgemäß, für Eventualitäten Bündnisse abzuschließen, die unmittelbar der Aktion selbst vorangehen müssen, wenn man bereits die Verhältnisse übersehen und Stellung zu ihnen nehmen könne. Käme es aber — fuhr er fort — doch zu einem Kampfe zwischen Österreich-Ungarn und Italien, den er bei umsichtiger Politik für vermeidbar glaube, so werde die in kluger Weise hervorgerufene Indignation über die „italienische Ländergier“ in Deutschland und England wahrscheinlich groß sein. In Verbindung mit seinem — Bismarcks — „guten Willen“, würde die allgemeine Erregung der Monarchie günstige Chancen einer Hilfe bieten1. Der Kanzler bezweifelte, dieses Thema weiterspinnend, daß Italien seine ländergierigen Blicke auch' nach Frankreich richte, das es auch jetzt noch fürchte und mit dem es, wie Bismarck in gereiztem Ton äußerte, „Gutfreund“ zu bleiben suche. Aus seinen Äußerungen ging auch hervor, daß nicht bloß das Trentino, sondern auch die Städte Dalmatiens mit italienischer Bevölkerung die italienische Begierde anfachens. Dabei war seine Ansicht, daß man in Wien die ganze Sache zu ernst nehme, indem zwischen Wollen und Können ein großer Unterschied bestehe1 * 3 4. Er habe aufgehört, mit der italienischen Armee als mit einem ausschlaggebenden politischen Faktor zu rechnen1. Mit keinem Worte aber gedachte Bismarck, daß er gesonnen wäre, an Italien eine Warnung zu richten5. Bei dieser Gelegenheit brachte Bismarck einen Gedanken zur Sprache, der ihm sehr am Herzen zu liegen schien und den er in der Tat drei Jahre später ígérné verwirklicht gesehen hätte. Er sagte, als vom Zusammengehen Deutschlands mit Österreich-Ungarn gegen Italien die Rede war, er könne sich wohl ein Bündnis: mit der Monarchie für „Eventualitäten“ vorstellen und er für seine Person halte es auch nicht für unmöglich. Aber es müßte ein „organisches Bündnis“ sein, sanktioniert durch Beschlüsse der Volksvertretungen. Ein solches Bündnis vermöchte 1 Andrássy in margine: „Sollte Italien in einen Krieg mit Frankreich gegen Deutschland gehen, so wären wir bereit, es zu hindern.“ s Kaiser Franz Josef I. eigenhändig in margine: „Sehr wahr.“ 3 Andrássy eigenhändig in margine: „Jawohl.“ 4 Kaiser Franz Josef I. in margine: „Oho!!“ und Andrássy: Fragezeichen. 5 Andrássy in margine: „Bei dieser Antwort auf die Frage wegen Italien werde ich es nicht bewenden lassen, sondern dieselbe mit (sic) Stolberg erneuert und ít^(r 11ieden vm-hrbiíren “ wozu der Kaiser : ..Sehl* ent.“