Historische Blaetter 1. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

liehen Erscheinungen, für die gesamte geistige Welt und von historischer Vielseitigkeit spricht, so sind diese Dinge seit der Romantik vor­handen. Die Romantik ist als eine weitgreifende Bewegung aufgekommen; nach ihr hat keine geistige Bewegung mehr so weit gegriffen wie sie. In den mittleren Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts stand sie in Miß­kredit, so daß das Wort romantisch zu einer tadelnden Bezeichnung geistiger Strömungen wurde. Es ist nicht notwendig, an dieser Stelle auf die Frage ein­zugehen, in welchem Maß die Romantik jener Zeit den Mißkredit selbst ver­schuldet hat. Es genügt zu sagen, daß die Romantik im ganzen lange Zeit verkannt worden ist. Eine Torheit aber, mit der wir uns nur selbst Schaden zufügen würden, wäre es, wenn wir uns um einer etwaigen tadelnswerten Haltung willen, die die Romantik zeitweise eingenommen hat, gegen das von ihr gebotene geistige Gut verschließen wollten. Die noch immer zu beobachtende Scheu, die große Bewegung, die sie darstellt, als die romantische zu bezeichnen, ist ein Rest jener Mißachtung. Werfen wir jetzt jedes Vorurteil ab und nennen wir die Sache mit ihrem historischen Namen, der zugleich der zweckmäßigste ist. Wir kommen in Verlegenheit, wenn wir nach einem anderen suchen. Der Versuch, mit der Bezeichnung »historische Schule« auszukommen, empfiehlt sich wegen der Vieldeutig­keit des Ausdrucks nicht. Die Forscher, die sich vor allem um die Wiederanerkennung1 der Romantik verdient gemacht haben, wie Haym und Dilthey, trugen ja auch kein Bedenken, sie mit ihrem echten Namen zu bezeichnen. Es ist übrigens lehrreich, die Etappen ihrer allmählichen Wiederan­erkennung, zum Beispiel den Unterschied in den Standpunkten von Haym und Dilthey, zu beobachten. Unter den Arbeiten der politischen Historiker, die in den letzten Jahr­zehnten die Schätze der Romantik wieder zugänglich gemacht haben, steht im Vordergrund F. Meineckes einflußreiches Buch »Weltbürgertum und Nationalstaat«. Ich selbst habe mich seit langem 1 2 um die Wieder­anerkennung der Romantik bemüht und in meiner »Deutschen Geschicht­7 1 Vgl. meinen Aufsatz »Die Wiederanerkennung der Romantik«, Konservative Monatsschrift, April-Heft 1921, S. 413 ff. — Angemerkt sei hier, daß auch Philo­sophen, die nicht ihr Hauptaugenmerk auf die Geschichte der Philosophie richten, sich um die Wiederanerkennung der Romantik verdient gemacht haben, so zum Bei­spiel Rickert, im besonderen Hinblick auf die Ausbeute, die sie für die Erkenntnis­theorie der Geschichte gewährt. 2 Gegen welche Verständnislosigkeit gegenüber der Romantik ich mich vor 30 Jahren zu wenden gehabt habe, darüber siehe Gött. Gel. Anz. 1892, S. 280. Vgl. Vierteljahr­schrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 10, S. 458 f.; Histor. Zeitschr., 81, S. 242 ff.

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