Historische Blaetter 1. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
Schreibung«1 geschildert, wie die wesentlichen Stücke unserer historischen Forschung und Auffassung aus der romantischen Geschichtschreibung kommen. Ein ernster Widerspruch gegen meine Darstellung ist nicht erfolgt*. Wenn M. Ritter in seiner inhaltreichen »Entwicklung der Geschichtswissenschaft an den führenden Werken betrachtet« (1919) der Romantik eine maßgebende Bedeutung in der Entwicklung der Geschichtswissenschaft nicht zuerkennen will, so liegt dies lediglich daran, daß er sie viel zu eng begrenzt, so eng, daß nach seiner Definition kaum zwei oder drei echt romantische Historiker übrig bleiben würden. Diese irrige Deutung macht zwar für seine Darstellung insofern weniger aus, als sein Werk nicht eine fortlaufende Entwicklungsgeschichte der Historiographie, sondern nur Bilder aus ihr geben will und der gesamten Historiographie, nicht bloß der des 19. Jahrhunderts gewidmet ist. Immerhin kommen bei jener zu engen Begrenzung der Romantik bei ihm entscheidende Tatsachen nicht zur Geltung. Indem ich mich für die Feststellung des Umfangs der romantischen Bewegung auf das beziehe, was ich an anderer Stelle8 gesagt habe, möchte ich nur betonen, daß man sich nicht durch die Beobachtung der Gegensätze, die in ihr hervortreten, verleiten lassen darf, ihre Grenze zu eng zu ziehen. Wenn jede große Bewegung Kämpfe im Innern aufweist, so können sie bei einer so vielseitigen Bewegung, wie es die romantische ist, am wenigsten fehlen. Man wird indessen über den inneren Kämpfen das Gemeinsame nicht übersehen und sich noch weniger durch die persönlichen Gegensätze großer Romantiker bestimmen lassen, das Übereinstimmende zu verkennen. F. v. Bezold hat in seiner »Geschichte der rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität« reichlichen Anlaß, von den leidenschaftlichen Kämpfen zwischen Niebuhr und Schlegel zu berichten, von der Geringschätzung, die Niebuhr dem Romantiker Löbell widmete1. Allein mit Recht läßt er sich dadurch nicht hindern, die gemeinsame Herkunft dieser Forscher aus der Romantik hervorzuheben und zu schildern, wie »im bewußten Gegensatz zu 1 * * 4 1 Vgl. Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 15, S. 82ff. (über Rezensionen meines Buchs und weitere neuere Arbeiten zur Geschichte der Romantik.) s Ganz haltlos ist der Versuch von W. Götz, »Die deutsche Geschichtschreibung des letzten Jahrhunderts und die Nation«, lehrreich nur als Äußerung einer Zeitströmung. Ich habe ihn in meiner »Parteiamtlichen neuen Geschichtsauffassung« (Langensalza 1920) kritisch zergliedert. Der Artikel von L. Schmitt-Dorotic, »Politische Theorie und Romantik«, Histor. Zeitschr., 123, S. 377 ff., ist eine geistreiche Karikatur. * Siehe meine »Geschichtschreibung«, S. 8ff.; meine »Parteiamtliche neue Geschichtsauffassung«, S. 8 ff. 4 F. v. Bezold, a. a. O., S. 270.