Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Budapest

Eine historische Skizze. 31 Symptome ließen gewöhnlich schon im ersten Anfänge eine ausgesprochene gefahrvolle Form von der einfachen leichteren Form unterscheiden: größere Kälte der Glie­dermassen , große Angst und Schwäche, Krämpfe in verschiedenen Theilen des Körpers, heftiger, dem Reis­wasser ähnlicher Durchfall u. s. w. Während der ersten Stunde der Krankheit war ein verschiedenen Charakter der­selben wahrzunehmen,von einer catarrhalischen oder gastri­schen Complication gewöhnlich abhängend,; im weiteren Verlaufe glichen sich fast alle Kranken, und war daher keine so sichere nnd bestimmte Curart mehr einzuleiten". Die Cholera brach zuerst im Ugocsaer Comitate am 13. Juni aus, rasch verbreitete sie sich nach den Comitaten Beregh, Zemplén Szabolcs, Szath- már und Borsod, und rückte immer näher an Pest heran. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln wurden getroffen, von welchen man nach der damals unge­nauen Kenntniß der Krankheit eine Abwehr zu er­hoffen glaubte. Eine Commission unter dem Vor­sitze des Freiherrn v. Mednyansky leitete das Ganze. Die Stadt wurde durch einen Sanitäts- cordon abgeschlossen. Dessen ungeachtet brach die fürchterliche Krankheit in den Schwesterstädten aus, und am 14. Juli forderte sie ihre ersten Opfer. Man glaubte sich durch ein ängstlicheres Bewachungs­system gegen die weitere Verbreitung des Nebels zu, schützen, und am 16. Juli wurde der Beschluß gefaßt, das Uebertreten der um die Stadt gezogenen Schanzen mit aller Strenge hintanzuhalten, und auch der Verkehr zwischen beiden Schwesterstädten wurde durch das Einziehen der Schiffbrücke unter­brochen. In Folge dessen kam es noch am selben Tage im Kaffeehause zum „weißen Schwan" auf der Kerepeserstraße zu unruhigen Auftritten. Den 17. begab sich die studirende Jugend unter Voran­tragung der Universitätsfahne zur Wohnung des da­maligen Professors Stähly und verlangte unter dem Rufe „Es gibt keine Cholera" das Recht der Entfernung von Pest, und die Einrichtung der Schiff­brücke. Eine herangerückte Militärpatrouille 15 bis 20 Kopfe stark, wurde mit Steinwürfen empfangen nnd zum Rückzuge genöthigt. Dann versuchte der durch Volksmassen verstärkte Studentenhaufen die Einrichtung der Brücke zu erzwingen, und als dieß nicht gelang, wurden die Fensterscheiben des Rath­hauses zertrümmert, worauf sich dann der Zug zu den Cordonshäuscrn begab, wo es zu blutigen Auf­tritten kam. Die „Wiener Zeitung" enthielt über die Ereignisse dieses Tages folgenden Bericht : „Die akademische Jugend, die eben von den Studien entlassen wurde, und sich an dem Uebergang über die Brücke gehindert fand, • versammelte sich' am 17, Morgens in größerer Anzahl, um von dsn Pe- hörden Sanitätspaffe zum Antritt ihrer Reisen in die Heimath zu erhalten, und als diese ihnen verweigert wurden, begaben sich diese Jrregeführten, denen sich ein großer Haufen Neugieriger und müßiger Menschen (es war gerade Sonntag) anschloß, an die Donau­brücke, um den Uebergang zu versuchen. Bei dem Um­stande, daß sich, wie schon erwähnt, am 15. und 16. keine neuen Erkrankungsfälle in Pest ergeben hatten. war von der Behörde bereits der Beschluß gefaßt wor­den, die Verbindung zwischen beiden Ufern der Donau wieder herzustellen, worauf dann die Studirende« grvß- tentheils ruhig abzogen. Hierdurch ließ sich aber der aufgeregte Haufe müßiger Menschen, welcher meist aus der Hefe des Volkes bestand, von den begonnenen Excesscn nicht abhalten; cs wurden die Fenster mehrerer öffentlichen nnd Privatgebäude mit Steinen einge- worfen, zernirte Häuser freigemacht, einige Schenken geplündert, worauf der vom Weine erhitzte Haufe an das vor der Linie der Stadt befindliche Kontumazge­bäude zog, und es zerstörte. Mittlerweile hatten jedoch die Komitats- und städtischen Behörden die Assistenz der Militär-Autori­täten mittelst Dazwischenkunft der bewaffneten Macht zur kräftigen Herstellung der Ordnung in Anspruch ge­nommen. Eine Abthetlung der Truppen stieß gerade auf den von der Zerstörung des Kontumazgebäudes rückkehrenden Haufen, und als dieser auf wiederholte Aufforderung nicht weichen, sondern Wiederstand leisten wollte, wurde ein Zug Husaren vom Regimente -Erz­herzog Ferdinand zur Zerstreuung desselben mit Erfolg verwendet; und als sich hierauf noch mehrere Rotten vereinigten, wurde nach abermaliger Aufforderung zur Ordnung die Infanterie befehliget, die Meuterer zu vertreiben. Nachdem von selben sieben tobt geblieben und mehrere verwundet worden waren, zerstreuten sich die Uebrigen schleunigst. Die Ruhe war von diesem Augenblicke an hergestellt. Durch das k. k. Militär, von welchem nur 5 Mann durch Steinwürfe leicht be­schädigt wurden, und durch die wackere Bürgerschaft, welche von dem besten Geiste beseelt, in dem eifrigsten Bestreben, Ordnung nnd Ruhe herzustellen , wetteiferten, wurden bei 200 Gefangenen eingebracht, welche den kompetenten Gerichten überliefert worden sind und die verdiente Strafen erhalten. Seit dem 17, ist die öffent­liche Ruhe nicht im Geringsten unterbrochen worden". Tie Gefangenen wurden vor ein aus dem Schoße des Pester Comitates, der Stadt Pest und der Universität zusammengesetztes Gericht gestellt, welches folgendes U r t h e i l fällte: Der Hauptan­geklagte Michael Bukovits wurde zu dreijährigem Kerker in Eisen, verschärft mit öffentlichen Arbeiten und wöchentlich dreimaligen Fasten, 9 Angeklagte wur­den zu 6 monatlichen, einer zu 8 monatlichem mit Stockstreichen verschärften Kerker verurtheilt. Was die Opfer anbelangt, welche der Würgengel der Cholera ge­fordert , so weist eine statistische Tabelle vom 15. Juli bis 26. September 1700 Todesfälle auf, wor­unter die meisten nämlich 571 auf die Woche vom 8. bis 15. August fallen. Die Zahl der Erkran­kungen für dieselbe Zeit beträgt 2277. Die nächste Heimsuchung der Stadt Pest war die im Jahre 1838 eingetretene Ueberschwe m- m u n g , welche an Umfang und durch die Zer­störung die sie begleitet, die Erinnerung an ^alle früheren Wassergefahren verdunkelt. Am 13. März hatte der Strom eine Höhe von 22' 11" 9" er­reicht , um am folgenden Tage eine Hohe von nahe an 28" zu erreichen. Den höchsten Stand je­doch hatte das Wasser in der Nacht vom 15. März wo es auf 29' 4" 6'" gestiegen, worauf dann eine stetige Abnahme erfolgte. Der Strom trat bei solcher Höhe weit über seine Ufer, die Stadt an ein-

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