Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Budapest

Budapest. 32 Seinen Theilen bis zu einer Höhe von 8' bis 9' über­schwemmend. Einstürzende Häuser uni) zu Grunde gegangene Menschenleben bezeichneten den Weg des entfeßelten Elementes. Die Zahl der ersteren betrug 2281, wovon der inner« Stadt 70, der Leopold st ad t 71, der Theresienstadt 811, der Josefstadt 891 und der Franzstadt 438 angehörten. 827 Häuser erhielten mehr oder minder erhebliche Risse und Sprünge, bloß 1147 Gebäude blieben unversehrt. Der hiedurch ent­standene Schaden wurde auf 10.500,724 fl Cv.-Mz. veranschlagt. Der Schaden an Mobilien kann kaum annähernd geschätzt werden. Außerdem begrub die rasch und unversehens hereinbrechende Gefahr 151 Menschenleben. In Ofen belief sich der Schaden gleichfalls auf Millionen , indem 207 Häuser ganz, 262 Gebäude aber zumTheile einstürzten. Noch größere Opfer würde das Element gefordert haben, wenn nicht das aneifernde Beispiel muthigen vor keiner Gefahr zurückschreckenden Edelsinns das Werk der Rettung in kräftiger Weise gefördert hätte. Erzherzog Stephan fuhr Hilfebringend ans einem Kahne durch die über­schwemmten, von den Trümmern eingestürzter Häuser bedeckten Straßen der Stadt, und setzte so mehrmals das eigene Leben aufs Spiel. Diesem hohen Bei­spiele folgten mehrere Mitglieder des Adels, darunter Baron Nikol. Wesselényi, Baron Joh. Podmaniczky, Graf Georg Károlyi, Graf Franz Szapüry und er­warben sich dafür den Dank der Stadt, wie folgender Auszug aus „dem Protokoll der Erwählten Bürger­schaft Pest ddo. 26. Sept. 1838" beweist: „Nachdem mehrere Magnaten sowol zur Gelegen­heit der gewesenen außerordentlichen und gefahrvollen Donau-Ueberschwemmung in dieser Stadt, als auch nach derselben durch hochherzige Handlungen sich rühm- lichst ausgezeichnet haben, namentlich die Herren: Baron Joh. v. Podmaniczky, p. t., Baron Nikolaus v. Wesselényi, p. t., Graf Georg v. K ár o l y i, p. t„ und Graf Franz v. S z a P á r Í, p, t„ so wird dem löblichen Magistrat der Vorschlag ge­macht , daß dem Grasen v. Károlyi ein Dank­schreiben im Namen des löblichen Magistrats und dieser Wahlbürgerschaft eingesendet, den übrigen drei Magnaten aber das Ehrenbürgerrecht verliehen werden wolle". Rasch erholte sich Pest von den fühlbaren Schlägen des Jahres 1838 und in kurzer Zeit waren die Spuren der Verwüstung kaum mehr zu sehen. Die schönsten Hauser unserer Stadt sind Neubauten, welche aus der Zeit nach der Ueberschwemmung datiren. Den von der Waffernoth heimgesuchten Bewohnern ward sowol von Seiten des In- als auch des Auslan­des eine nahmhafte Unterstützung zu Theil, welche die auf außerordentlichen Wegen eingegangenen Spenden nicht gerechnet, 1.158290 fl. CM. betrug. Außer­dem streckte die Bank zum Aufbau der eingestürzten Häuser ein 2percentiges Darlehen im Belaufe von 3 Millionen fl. CM. vor. Ter Erzherzog Reichspalatin aber legte in diesen Tagen der Noth Proben seines hohen Edelsinnes und seiner stets warmen Theilnahme für das Schicksal der Schwesterstädte an den Tag. Täglich wurden 1500Brode auf dem Schloß gebacken und unter die Nothleidenden in Budapest vertheilt, den Obdachlosen wurden 66 Zimmer der Königsburg zur Verfügung gestellt. Diese rührenden Zeichen einer regen Sympathie, welche der Erzherzog Statthalter bis an sein Lebensende für die Schicksale der Schwe- sterstädte bewahrte, blieben in den Herzen der Be­wohner nicht ohne Wiederhall. In allen Kreisen hing man mit wahrer und aufrichtiger Verehrung an dem Reichspalatin, und als der Erzherzog am 12. Novem­ber des Jahres 1846 das 50jährige Fest seiner hohen Amtswaltung feiern sollte, wurden allenthalben Vor­kehrungen getroffen, um dem seltenen Jubiläum die großartigen Dimmensionen einer nationalen Feier zu verleihen. Im Pester Comitate wurden Denkmünzen aus Gold, Silber und Kupfer geprägt mit der Ucber- schrift: „Josef Magyarország Nádora és főka­pitánya választatott Nov. 12. 1796“ und auf der Kehrseite: „ÍÜmlékül félszázados érdemért 1846". Doch eine schwere Krankheit verhinderte den greisen Palatínus den Tribut der Landesverehrung zu empfangen und die eiserne Hand des Todes zertrüm­merte den Altar, auf welchen eine ganze Nation die Zeichen des Dankes für den gefeierten Statthalter niederlegen wollte. Am 13. Jänner des Jahres 1847 erlosch in der Königsburg zu Ofen das Leben des 71jährigen Erzherzogs und die Gebeine des verehrten Prinzen wurden in der erzherzoglichen Gruft beigesetzt. Wie man sich erzählt , soll der greise Palatínus bis zur Stunde des Todeskampfes für das unter seinen Augen großgewordene Pest dieselbe warme Liebe em­pfunden haben, die ihn während seines ganzen Lebens begleitet hatte. Kurz ehe der Geist der irdischen Hülle entfloh, ließ sich der sterbende Palatin an das nach dem Pester User blickende Fenster der Königsburg führen und dort fing sein brechendes Auge das ge­räuschvolle Bild der blühenden Kapitale auf, der Blick deö sterbenden Greises fiel auf die in üppiger Lebens­kraft strotzende Donaustadt. Das Andenken des ruhm­vollen Palatinus wurde allgemein betrauert, die un­garische Statthalterei sowie die sämmtlichen Behörden des Landes trauerten durch drei Monate um den Ver­ewigten, und erließen ihre sämmtlichen Erlässe auf schwarzgerändertem Papiere. In dem von dem unga­rischen Hofkanzler Graf Georg A p p o u y i ge­zeichneten Erlasse, welcher die dreimonatliche Trauer um den Palatin anordnet, wird besonders betont, daß Se. Majestät in dem Hingeschiedenen einen Oheim und treuesten Freund verloren, „der über die Verfassung Ungarns zu jeder Zeit mit reger Sorgfalt (éber gondossággal) gewacht". Wir sind nun in der Erzählung der wechselvol­len Schicksale der beiden Schwesterstädte bis ytm Jahre 1848 angelangt, in dessen Schooße sich die Ereignisse entwickelt haben, die sowol in ihrem Ver­laufe als auch in ihren Folgen noch frisch in dem Gedächtniße der Zeitgenossen leben.

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