Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Budapest

30 Budapest. wärtig die belebteste Lustpartie der Pester, verdankt dem Sommer des Jahres 1794 seinen Aufschwung; denn damals überließ der Magistrat die zwischen dem Stadtwäldchen und der Theresienstadt gelegenen Gründe, unter der Bedingung an Private, daß daselbst nach einem gemeinsamen Plane Gärten an­gelegt werden. Außerdem hat Kardinal Josef Batthyány die damals noch ungrregelten Wald­strecken zu einem eigentlichen Vergnügungsorte um­geschaffen. An die großen Kriege, welche die Welt während der Neige des vorigen und beim Beginne des jetzigen Jahrhunderts bewegten, ward Pest da­durch erinnert, daß am 26. Mai des Jahres 1799 ein russisches Corps von 10,000 Mann auf dem Rákos lagerte, nnd am 3. Juli durch die Strassen von Pest marschirte, um nach Italien zu ziehen. Im Jahre 1809 ward das Land und somit auch die Hauptstadt von dem Rüstungslärm der adeligen Insurrektion erfüllt. In Ofen ward im Jahre 1715 das während der Belagerung hart mitgenommene königliche Schloß wiederhergestellt. Unter der Leitung des Generals Baron Regal ward nach V i s ch e r s Plan ein zweiftockhohes Viereck erbaut. Das eingstürzte Stuhlweissenburger Thor ward, wie die Inschrift zeigt, unter Karl VI. hergestellt. 1780 wurde unter Entwickelung eines großen Pompes die Universität nach dem Ofner Schloße verlegt, um 4 Jahre später nach Pest versetzt zu wer­den. Dafür übersiedelten der königliche ungarische Statthaltcreirath u^d die königliche Schatzkammer von Preßburg nach Ofen. Für diese Auszeichnung wollte die Stadt Ofen I o s e f II. ein Monument auf dem Paradeplatze errichten, welche Kundgebung der Monarch in folgendem Schreiben ablehnte: „An den Magistrat der königlichen Stadt Ofen in Hungarn: Ich danke dem Magistrat und der Bürger­schaft für die mir zugedachte Ehre, auf einem ihrer Hauptplätze meine Bildsäule zu errichten. Daß ich zur Beförderung der Geschäfte und besseren Uebersicht der Reichsämter dieselben in Ofen vereinbaret, und hiedurch der Stadt zufälliger Weise einige Vortheile verschafft habe, das verdient in der That eine solche Ehre nicht. Wenn ich cs jedoch einmal werde dahin gebracht haben, daß die Hungarn die wahren Verhältnisse zwischen dem König und den Unterthanen allgemein anerkennen; wenn ich alle geistliche und weltliche Mißbräuche werde abge­stellt; wenn ich Thätigkeit und Industrie erwecket, den Handel in Flor gebracht, das Land von einem Ende zum andern mit Strassen und schiffbaren Kanälen werde versehen haben, wie ich es hoffe, wenn dann die Nation mir ein Monument errichten will, dann möchte ich es vielleicht verdient haben, und dann werde ich cs auch mit Dank annehmen. Wien, int Juni 1784, Jose ph." Im Jahre 1790 wurde die Krone deö heiligen Stephan mit großem Pompe von Wien nach Ofen gebracht und zwei Jahre später, am 20. Mai 1792 ward Kaiser Franz in der Garnisonskirche als König von Ungarn gekrönt. Im Jahre 1795 am 10, Mai sah die Generalwiese in Ofen das blutige Schauspiel einer Execution. Der Abt Martinovics, Graf Zsigray, Hajnóczy und Szentmärjai starben den Tod durch Henkershand. Sie waren der Theilnahme an eirwr politischen Verschwörung oder richtiger, der Verbrei­tung eines revolutionären Katechismus angeklagt, welche Anklage auch den gefeierten Dichter Franz Kazinczy mit dem harten Schicksale ein 6*j2 jährigen Gefangenschaft traf. Kazinczy ward in der Nacht des 14. Decembers 1794 zu Alsó - Neg- mecz verhaftet. Am 19. December des Nachts kam er in Ofen an. Am 29. December fand sein Ver­hör statt, am 23. Februnr 1795 ward er vor die königliche Tafel gestellt, und am 8. Mai wurde ihm das Todesurtheil vorgelesen. Die Frage^nppelatne?" beantwortete der verurtheilte Dichter mit „appello“, (ich appellire) das Urtheil ward zwar am 16. Mai durch die Septemviraltafel beftättiget, doch durch die höchste Instanz in eine Freiheitsstrafe umgewandelt. Ka­zinczy büßte dieselbe in den Gefängnißen zu Brünn, Kufstein und Munkács ab, von wo er am 28. Juni des Jahres 1801 das langentbehrte Licht der Frei­heit wieder begrüßte. Wenn wir die Chronik der Unglöcksfälle durch­blättern welche die Schwesterstädte im Laufe der letzten Jahrhunderte heimgesucht, so finden wir Ofen imJahre 1723 nebst einer verheerendenSeuche auch noch von einer Feuersbrunst bedroht, welche die Wasserftadt bis zum Kapuzinerkloster einäscherte, und durch eine von den Flammen bewirkte Pnlverexplosion das Stuhlweissen­burger Thor in Trümmer legte. Im Jahre 1810 verzehrten die Flammen neuerdings 600 Häuser, der Wasserstadt und des Taban, nnd auf 6 Mil­lionen Gulden in den damals giltigen Bankozetteln ward, der durch das böse Element verursachte Scha­den veranschlagt. Mehrere Blätter dieser Unglücks- Chronik werden auch von verheerenden Seuchen aus- gefüllt. Das erste Auftreten der Pest in unserem Vaterlande fällt in das Jahr 1341 , und nur zu oft schwang seitdem der schwarze Tod die Geißel der Entvölkerung, besonders war das Jahr 1710 ein Jahr der Trauer, welche das Land in ein großes Leichenfeld umwandelte. Nach Cserei soll die Pest in diesem Jahre in Ungarn 300,000 Menschenleben weggerafft haben. 1739 fielen in Ofen allein 6000 Menschen eine Beute dieser bösartigen Krankheit. Noch im Gedächtniß der gegenwärtigen Generation lebt die Cholera des Jahres 1831. „Gleich im Anfänge des Erscheinens der. epide­mischen Cholera zu Pest — lautet der Berich! eines damaligen Arztes — sowie im weiteren Verlaufe der­selben, litten die meisten Einwohner der Stadt an ver­schiedenen einzelnen Symptomen der großen Epidemie. Die Krankheit selbst erschien unter mehreren Formen, von der leichtesten bis zur gefährlichsten Art; letztere war jedoch int Verhältnisse mit der ersteren zu Pest viel seltsamer als in anderen, in sumpfigen Theiß- und Donaugegenden gelegenen Ortschaften. Die einfachen Formen verliefen gewöhnlich ohne Gefahr, auf Diät- fehler jedoch und übelangewandte Mittel gingen selbe leicht in die ausgesprochenen Formen über. Folgende

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