Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)
Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Budapest
Eine historische Skizze. 27 Volk, 14,400 geharnischte Reiter und 6400 Dragoner; 31,700 Mann waren bairische, sächsische, brandcnbur- gische, schwäbische und sonstige deutsche Hilfstruppen. Der Herzog Karl v. Lothringen hielt mit 25.000 Mann die Hohen im Westen und Norden der Festung besetzt, und sein Hauptquartier befand sich auf dem großen Schwabenberge, auf dem sogenannten „Razenkopfe", von wo er das ganze Belagerungsheer überblicken konnte. 8000 Brandenburger und 20,000 Ungarn und Croaten hatten nach Erstürmung der Wasserstadt das Donauufcr besetzt, während die übrigen Reichstruppen das Thal der Paulaner einnahmen. Der Adler- und Blocksberg war größtentheils von Baiern unter ihres Churfürsten Führung besetzt. Außerdem waren Spanier und Italiener, Briten und Franzosen bei dieser denkwürdigen Belagerung vertreten, unter deren Führer sich auch der Markgraf Ludwig v. Baden und Eugen ö. Savoyen befanden. Das Belagerungsgeschütz — 60 größere und 30 kleinere Kanonen und 40 Mörser — stand unter Leitung des Anton Gonzales aus Flandern und des Franziskaners Peter Gabriel (Tüzes Gábor). Auch auf dem von den Türken ganz aufgegebenen Pester Ufer waren Batterien errichtet und Trancheen eröffnet. Marchese Doria hatte hinter Pest auf dem Rákos sein Lager aufgeschlagen. In der Festung waren 116.0 00 Türken unter des 70jährigen Abdurrahman Pascha Befehl. Die Zahl der Bewohner Ofens betrug damals 40,000, worunter 10,000 Juden. Außerdem erhielten die Paschas von Temesvár, Stuhlweißenburg und Effegg Befehl, ihre Truppen zum Aufbruche bereit zu hatten. Herzog Karl entsendete den größten Theil der Kavallerie gegen Stuhlweißenburg, um sowohl die Besatzung als auch das von Essegg heranziehende Entsatzheer zu beobachten. Die Husaren Batthyány Adams gingen mit gutem Beispiele voran. Sie nahmen die Insel Csepel, wohin sich die Frauen der Türken mit ihren Schätzen geflüchtet hatten, und die nun als Beute in die Hände der Batthányschen Reiter sielen. Am 24. Juni wurde das Feuer eröffnet. Am 30. besetzten die Schwaben den von dieser Zeit nach ihnen benannten Berg im Westen des Paulanerthales. Am 4. Juli rückte das brandenburgische Contingent, von Adam Schöning geführt, gegen die Mauern der Festung vor; der Sohn des berühmten Generals Derslinger zählt zu den Opfern dieses Tages. Die folgenden Tage füllte ein kleiner Minenkrieg zwischen Belagerern und Belagerten aus. Am 13. Juli hatten die Kanonen des Herzogs Karl bereits in der Nähe des Wiener Thores Bresche geschossen, aber ein am Abend dieses Tages versuchter Sturm scheiterte ander verzweifelten Tapferkeit der Besatzung, die sich mit Weib und Kind den Stürmenden entgegenwarf, und sogar einen tollkühnen Ausfall gegen die Brandenburger unternahm. Die Angreifer ließen 1400 Leichen auf den Basteien; unter den Todten befanden sich H e r b e r ft e i n, der das Centrum commandirt hatte, Karl Dohna, Oberster der Brandenburger und ein Brite aus fürstlichem Ge- blüte. Am 22. flog durch einen Schuß aus den Batterien des Churfürsten das Pulvermagazin der Festung in die Luft, 1500 Türken fielen als Opfer der Explosion, die so furchtbar war, daß Felsenstücke bis an das Pester Ufer flogen, ein Theil des Feftungswalles einstürzte und der Strom aus seinem Bette trat. Am folgenden Tage ließ der Herzog den Pascha zur Ueber- gabe der Festung auffordern. „Ich thue Euch zu wissen — schrieb der Herzog — daß wir mit unseres Herrn des römischen Kaisers siegreichen Heeren vor den Mauern dieser Festung erschienen sind, mit Hilfe unserer Kanonen Bresche geschossen, und dann entschlossen sind, je eher zum Sturme zu schreiten. Wenn Ihr die Festung übergebet, so könnet Ihr, sowie die Einwohner ungeschoren auswandern, und Ihr werdet sogar zu Eurem Schutze Geleite erhalten; wenn wir hingegen mit starker Hand die Festung einnehmen, dann bleibt Niemand am Leben, wer oder was immer er auch sein mag, alle müßt Ihr über die Klinge springen." Nach 4 Stunden gab der Pascha folgenden Bescheid: „Noch ehe Ihr Euer Lager aufgeschlagen, haben wir gewußt, daß es Eure Absicht ist, vor dieser Festung zu erscheinen. Deshalb haben wir sie auch nach Möglichkeit befestigt, der Gedanke an Uebergabe kommt uns gar nicht in den Sinn. Ihr droht mit Sturm. Ihr habet es bereits zweimal versucht, und alle zweimal vergeblich. Wenn Ihr wieder zum Sturme schreitet, wird Gott zur Verherrlichung ' seines Profeten Mohamed Euch strafen. Ihr seid stolz geworden. Gott ist der Feind und Züchtiger der Stolzen." — Der Herzog beantworte das hochmüthige Schreiben vom 27. mit einem Angriff, der die Eroberung der Außen werke zur Folge hatte. Doch mußte dieser V o r t h e i l mit schweren Opfern erkauft werden, lieber 3000 der Belagerer, darunter 200 Offiziere, wurden getödtet oder schwer verwundet. Auf die Einnahme der Festung mußten die christlichen Streiter auch diesesmal verzichten. Abdurrahman, der es wohl wußte, daß in Stambul öffentliche Gebete für die Erhaltung Ofens angeordnet wurden, und daß der Großvesir mit dem Entsatzheere bereits bei Essegg die Drau überschritten, fühlte sich zum äußersten Widerstande ermuthigt. Die Stürmenden wurden durch eine entzündete Mine und durch brennende, mit Pech und Schwefel gefütterte Säcke zurnck- geworfen. Der innere Wall wurde von der Besatzung dadurch vertheidigt, daß der Graben mit brennenden Stoffen gefüllt ward. Am 30. Juli richtete der Herzog, der um jeden Preis vor der Ankunft des Entsatzheeres in den Besitz der Festung gelangen wollte, eine zweite Aufforderung zur Uebergabe an den Pascha. „Wir haben Euch — so heißt es in dem Briefe — schon unlängst aufgefordert, die Festung unter ehrenhaften Bedingungen aufzugeben. Ihr machtet damals keinen Gebrauch von unserer Gnade, und wir haben durch Gottesfügung die Basteien erstürmt. Eure elende Lage ist uns be-