Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Gesetzhalle

4 Gesetzhalle. angemessenen Bestrafung durch denselben oder nach Umständen durch die Behörde. Streitigkeiten der selb st ständigen Gewerbetreibenden mit ihren Gebil- fenundLehrlingenaus dem Dienst- und Lehr- verhältniffe, welche während der Dauer desselben oder wenigstens vor Verlauf von 30 Tagen nach dessen Auf­hören angebracht werden, sind, wenn der Gewerbetrei­bende einer Genossenschaft angehört, von der G e n o s- senschaftsvorstehung im Wege der gütlichen Ausgleichung oder nöthigenfalls durch Erkenntniß zu er­ledigen. Gehört der selbstständige Gewerbetreibende kei­ner Genossenschaft an, so sind diese Streitigkeiten von der politischen Behörde zu verhandeln und zu entscheiden. Die Erkenntnisse der Genos­se n s ch a f t s v o r st e h u n g sind im Verwal­tungswege vollziehbar. Gegen dieselben steht den Betheiligten durch acht Tage die Berufung an die politische Behörde offen, durch welche jedoch die vor­läufige Vollziehung nicht aufgehalten wird. Jene Strei­tigkeiten, welche nach Verlauf von 30 Tagen nach Auf- Hören des Dienst- oder Lehrverhültnisses angebracht werden, gehören vor den ordentlichen Richter. Genossenschaften. (§. 106 bis 130.) Unter den­jenigen, welche gleiche oder verwandte Gewerbe in einer oder in nachbarlichen Gemeinden betreiben, ist ein gemein­schaftlicher Verband herzustellen. Eine Genossen­schaft kann nach Umständen auch die Gewerbetreibenden mehrerer Gemeinden und verschiedenartiger Gewerbe um­fassen. Wer in dem Bezirke eines solchen Verbandes das Gewerbe, für welches derselbe besteht, selbstständig betreibt, wird schon durch d e n A n t r i t t d e s G e w e r - des Mitglied der Genossenschaft, und hat die damit verbundenen Verpflichtungen zu erfüllen. Wer mehrere Gewerbe betreibt, kann auf diese Art mehreren Genossen­schaften angehören. Die Gehilfen und L e h r l t n g e der Genossenschaftsmitglieder werden als Angehö­rige der Genossenschaften betrachtet, und sind als solche den Vorschriften derselben unterworfen. Der Z w e ck der Genossenschaften besteht in der Förderung derjenigen Anstalten und Vorbereitungen, welche die Be­dingungen der gemeinsamen gewerblichen Interessen ab­geben. Insbesondere obliegt ihnen: a) die Sorge für die Erhaltung geregelter Zustände zwischen den Mitgliedern der Genossenschaft und ihren Angehörigen, insbesondere in Bezug auf den Lehr- und Dienstyerband ; b) die Aus­tragung der bezüglichen Streitigkeiten; e) die Gründung, oder Förderung von Fachschulen und die Beaufsichtigung derselben; d) die Gründung von Anstalten zur Unterstü­tzung der Mitglieder und Angehörigen der Genossenschaft in Fällen der Erkrankung oder sonstigen Nothlage, und die Beaufsichtigung dieser Anstalten; e) die Erstattung der verlangten Auskünfte und Gutachten über die in ihrem Wirkungskreise liegenden Verhältnisse an die Behörde und die Handels- und Gewerbekammer ihres Bezirkes ; f) end­lich die Mitwirkung in allen Vorkehrungen der öffentlichen Verwaltung, welche sich auf die Gesammtheit der Gewerbs- genossen beziehen. Durch die Errichtung von Genossen­schaften darf für N i e m a n d e n der Antritt oder der VL- trieb eines Gewerbes weiter beschränkt werden, als durch das gegenwärtige Gesetz bestimmt ist. Die Ge­nossenschaft wird vertreten und deren Geschäfte wer­den besorgt: a) durch die Versammlungen der Genossen­schaft ; b) durch den Genossenschaftsvorstand, bestehend aus dem Ausschüsse unter Leitung des Vorstehers. Die Ver­sammlungen werden bei Genossenschaften, welche nicht mehr als 50 Mitglieder zählen, aus sämmtlichen stimmfähigen Mitgliedern, bei größeren aus Vertrauens­männern gebildet, die von jenen im Wege schriftlicher Stimmenabgabe auf eine bestimmte Zeit gewählt werden. Die Versammlung wählt die Ausschüsse und den V o r st e h e r. Die Wahl des Letzteren unterliegt der Be­stätigung der Behörde. Die Amtsdauer der Ausschußmit­glieder und der Vorsteher währt in der Regel drei Jahre, nach bereit Verlauf sie wieder wählbar sind. Den Ver­sammlungen sind Vorbehalten: ») die Prüfung und Genehmigung der Rechnungsabschlüsse und Jahres­voranschläge und die Bestimmung des durch Umlagen auf­zubringenden Betrages ; b) die Systemisirung des besolde­ten Hilfspersonales; c) die Verfügung über das Stamm­vermögen der Genossenschaft; d) die Beschlüsse über Er­richtung und organische Aenderungen von Fachschulen und Unterstützungsanstalten; e) die Schlußfaffung in anderen durch die Statuten näher zu bezeichnenden wichtigen An­gelegenheiten. Der V o r st a n d besorgt die laufenden Geschäfte. Für die A u s t r a g u n g der Streitig­keiten wird dem Genossenschaftsvorstande eine entspre­chende Anzahl Vertreter aus dem Stande der Gehil­fe n beigegeben, welche von der Behörde bestellt werden. Dem Vorstände wird das Recht eingeräumt, über die Mitglieder und Angehörigen der Genossenschaft bei Ver­letzung der Genossenschaftsvorschristen angemessene Ord- n u n g s st r a fe n , als : Verweise und Geldstrafen bis 5 fl., zu verhäng en. Die für die Erfordernisse der Genos­senschaften nöthigen Geldmittel, soweit solche nicht aus den Zinsen des vorhandenen Vermögens die Deckung erhalten, werden mit Genehmigung der Behörde auf die Mitglieder der Genossenschaft umgelegt und dürfen im Verwaltungswege eingetrieben werden. Uebertreturrgen und Strafen. (§. 131 bis 140.) Die Uehertretungen der Vorschriften dieses Ge­setzes werden bestraft: a) mit Verweisen; b) mit Geld­bußen bis 400 fl.; c) mit Arrest bis zu drei Monaten ; d) mit Entziehung der Gewerbsberechtigung für immer oder auf bestimmte Zeit. Eine Geldstrafe von 5 fl. bis 200 fl. hat insbesondere zu treffen : a) diejenigen, wel­che ein Gewerbe selbstständig betreiben, ohne es angemcl- det oder, falls eine Konzession erforderlich ist, diese erwirkt zu haben; b) diejenigen, welche ein Gewerbe fortbetrei­ben, nachdem es ihnen eingestellt wurde; c) diejenigen, welche eine der im dritten Hauptstücke bezeichneten Ge- werbsanlagen in Betrieb setzen, ohne früher die erforder­liche rechtskräftige Genehmigung der Behörden erhalten zu haben. Eine Geldstrafe von 10 fl. bis 400 fl. hat die treffen: ») diejenigen, welche den Anordnungen über zu Ausnahme, Verwendung und Behandlung der Gehilfen und Lehrlinge zuwiderhandeln; b) die Bäcker, Fleischer und Rauchfangkehrer, wenn sie den Gewerbsbetrieb ohne Anmeldung einstellen, oder bei angemeldeter Zurücklegung des Gewerbes die von der Behörde geforderte Fortsetzung während der Kündigungsfrist unterlassen; c) jene Ge- werbsleute, welche ihre Berechtigung zur Deckung des un­befugten Gewerbsbctriebcs Dritter mißbrauchen; d) jene Gewerhsleute, welche sich Bedrückungen der Arbeiter durch Ablohnung in Waaren oder durch andere vor- schriftwidrige Vorgänge zu Schulden kommen lassen. Un­terliegen Handlungen oder Unterlassungen, welche als Uebertretungen der Gewerbsvorschristen erscheinen, zu­gleich einer durch die allgemeinen Strafgesetze festgesetzten Strafe, so haben die durch das gegenwärtige Gesetz festgesetzten Strafarten a, b, c nicht abgesondert Platz zu greifen. Wenn eine Uebertretung der Vorschriften über die Behandlung der Lehrlinge oder der in Arbeit stehenden Kinder von der Art ist, daß es be­denklich erscheint, dem Gewerbeinbaber solche noch ferner anzuvertranen, so kann ihm das Recht, Lehrlinge zu hal­ten oder Kinder zur Arbeit zu verwenden, unabhängig von der sonstigen, nach diesem Gesetze oder den allgemeinen Strafgesetzen ihn treffenden Strafe, für eine bestimmteZeit oder auf immer entzogen werden. Die Entziehung der Gewerbsberechtigung hat Platz zu grei­fen: In Vollziehung der S t r a f e r k e n n t -

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