Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)

Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Nachtrag

202 Nachtrag zur Nekrologie. damer Regierung, zuletzt im Ministerium gearbeitet. Die Professur der Staatswissenschaften an der Ber­liner.Universität erhielt er 1834 und zehn Jahre später ward er zum Director des statistischen Bureau's ernannt. Was er in diesen Stellungen für Volks- wirthschaft und Statistik geleistet, wird die Wissen­schaft in dankbarem Andenken behalten. Gyürky, von Losoncz Pál, der reichste unga­rische Edelmann, k. k. wirklicher Geheimerrath, Käm­merer und gewesener Obergespan des Krassóer Ko- mitates, starb 78 Jahre alt am 16. Okt. zu Pest am Schlagflusse. Er hinterläßt eine zahlreiche Familie aus dreifacher Ehe. Hegedüs, Eine der beliebtesten Schauspiele­rinnen des ungarischen Nationaltheaters, namentlich für das Fach der Volksstücke, starb in voller Jugend- blüthe eines plötzlichen Todes mit 19. September in Pest. Kiss, Franz, korrespondirendes Mitglied der ungarischen Akademie und eifriger Alterthumsforscher, starb in Ofen am 25, Juli. Er war am 8. Decemb. 1791 geboren und hat für mehrere Fachblätter über manche itt Ungarn aufgefnndene Antiquitäten wis­senschaftliche Abhandlungen geschrieben. Er lebte seit mehr als drei Decennien in völliger Zurückgezo­genheit und hinterließ bei seinem Tode eine werth­volle archäologische Sammlung. Pecsovics Franz, Grundbesitzer zu Fadd im Tolnaer Komitate und quieszirter Rentmeister des Freiherrn von Sina, starb am 22. Oktober im 66. Lebensjahre Er war jene tnt weiten Ungarn wohlbe­kannte Persönlichkeit, nach welcher sich die „P e- c s o v i c s-Partei" benannte. Pih-Kwey, der nach der Einnahme von Can- ton durch die westmächtlichen Befehlshaber eingesetzte Gouverneur dieser Stadt, starb 71 Jahre alt am 25 . April. Er war aus Peking gebürtig, erlangte 1849 den Grad eines Licentiaten, trat in den Staatsdienst, hob sich von Stufe zu Stufe und be­währte eine seltene Uneigennützigkeit, da er, obgleich im Besitze der höchsten Würden, nur das mäßige Vermögen von 200,000 Piaster hinterließ. Ritter Karl, der Schöpfer der modernen Geographie, durch den diese Disciplin erst zur Wis­senschaft erhoben ward, starb nach kurzem Kranken­lager , auf dem er seine Arbeiten fast bis zum letzten Pulsschlag fortsetzte, über 80 Jahre alt am 28. September in Berlin. Am 7. August 1779 zu Quedlinburg geboren, kam er als Knabe von sechs Jahren mit seinem Bruder, der auch jetzt noch in sei­nem Hause lebt, in das Erziehungsinstitut zu Schne­pfenthal, bildete sich später in Halle zum Pädagogen aus und trat 1798 zu Frankfurt a. M. als Erzieher in das Bethmann-Hollweg'sche Haus. Er begleitete seine Zöglinge auf die Akademie zu Genf und auf Reisen durch einen großen Theil Europa's. 1819 wurde er zum Professor der Geschichte am Gymnasium zu Frankfurt ernannt. Kurze Zeit darauf (1822) erhielt er einen Ruf als außerordentlicher Professor der Geographie an die Universität und Kriegsschule in Berlin, wo er unverändert bis zum Tode gelebt und gewirkt hat. Ritter's Hauptwerk ist: „Die Erd­kunde im Berhältniß zur Natur und Geschichte des Menschen", ein Denkmal echt deutscher Gelehrsamkeit und gründlichster Forschung. Der Verstorbene war auch korrespondirendes Mitglied der ungarischen Aka­demie , und richtete noch wenige Wochen vor seinem Tode ein Schreiben an Herrn Johann Hunfalvy in Angelegenheit der Humboldtstiftung. Auch ward die, durch Letzteren besorgte deutsche Uebersetzung von Magyar Lnßlo's südafrikanischen Reisen, dem großen Geographen gewidmet. Schmidbrrrg, Victor Freiherr von, k. k. Statthaltereipräsident und Kämmerer, starb, 45 Jahre alt, am 16. Okt. in Temesvár. Sidi-Mo hamined, Bey von Tunis, starb im Alter von 54 Jahren am 22. September. Er trat die Regierung am 31. Mai 1855 nach dem Tode seines Vetters Achmed-Pascha an, während das tu­nesische Contingent, welches sein Vorgänger der Pforte tut orientalischen Kriege zu Hilfe geschickt, noch an dem Kampfe gegen Rußland betheiligt war; und zahlt zu denjenigen muhamedanischen Herrschern, wel­che für die Enropäisirung ihrer Länder am meisten ge- than. Schon 1856 warf er, zum großen Aerger seiner Ulema's, das ganze auf den Koran basirte Steuer­system um. Freilich konnte er nicht hindern, daß im Spätsommer 1857 ein unglücklicher Israelit, der angeblich den Propheten geschmäht, nach einem sum­marischen Rechtsverfahren hingerichtet wurde: willig aber fügte er sich sodann den Reklamationen der abendländischen Konsuln. Ja, als der französische Admiral Trehouart zur Unterstützung dieser Proteste, mit einem Geschwader in den Hafen von Tunis ein­lief, verlieh der Bey am 9. September seinem Reiche eine vollständige Konstitution mit so umfassenden Con- cessionen an die Ungläubigen, wie selbst der Hathu- mayum Abdulmedschid's von 1858 sie der Türkei nicht gegeben. In dieser Verfassung ist die bürger­liche Gleichheit aller christlichen und muhamedanischen Unterthanen, die Zulassung der Juden zu den Wohl- thaten des gemeinen Rechtes so wie in die zu bilden - den Tribunale ausgesprochen; die militärische Con- scription tritt an die Stelle der gewaltsamen Aus­hebungen; gemischte Gerichtshöfe werden zur Abur- theilung der Prozesse zwischen den Anhängern ver­schiedener Religionen eingesetzt; alle gewerblichen und Handelsmonopole werden abgeschafft; die Chri­sten bekommen das Recht Grundbesitz zu erwerben. Mit der Ausführung dieses Aktenstückes war es Sidi- Mohamed durchaus Ernst: schon 1858 wurde in der Hauptstadt ein Gemeinderath inftallirt, der sich be­trächtlicher Befugnisse erfreut und aus allen Elemen

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