Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)

Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Budapest

10 Budapest. Pest, und die am rechten Ufer, an der Stelle der heu­tigen Raizenstadtadt gebaute Stadt, Klein- oder N e u p e st genannt, der Festungshügel hieß gleichfalls der Pester Berg. Erst als letzteres den Namen Buda erhielt, ward unsere Stadt schlechtweg Pest genannt, und das alte Buda das ehemalige Aquincum mufite zur Unterscheidung O-Buda (Altofen) genannt werden. Die Gründung von Pest verliert sich gleichfalls in das Dunkel der Geschichte. Nur soviel kann ange­nommen werden, daß es zur Zeit der Stiftung des ungarischen Reiches schon vorhanden, und wie sein Name zeigt von Slaven bewohnt war. Die Stadt erhob sich durch die unter Taksony eingewanderten betriebsamen Jsmaeliten,'"') und durch die später her­beigezogenen Deutschen zu immer größerer Blüthe, und ward unter Stephan dem Heiligen zur Freistadt erhoben und mit einem Freiheitsbriefe beschenkt, der später zur Zeit der Tartarenzüge verloren ging und von Béla IV. erneuert ward. Wie schon der Name Groß-Peft beweist, war der am linken Ufer gelegene Theil der Stadt dem am rechten User befindlichen an Ausdehnung sowohl wie an Bedeutung überlegen. Bald jedoch, und zwar durch die Invasion der Tarta- ren veranlaßt, vertauschten beide Städte ihren Rang, und Ofen erhob sich später zu einem Glanze der alles überstrahlt, was nur in den Annalen der Geschichte über die Schicksale heimischer Städte aufbewahrt wird. An den Ufern der Sajó verlor Béla IV. gegen die wilden Horden der Tartaren die Schlacht, und nur durch die Flucht nach den dalmatinischen Inseln rettete der König sein Leben. Die Bewohner von Pest, welche den Rath Bsla's : in der Flucht ihr Heil zu suchen, mißachteten, kämpften 3 Tage verzweifelt gegen die barbarischen Horden, bezahlten jedoch theuer diese Kühnheit, denn was den Tartaren in die Hände fiel ward niedergemetzelt, und Pest, das schon in der Legende vom heiligen Gerhard „eine hervorragende Stadt" genannt ward, ereilte das Loos der Verwü­stung. Als Béla IV. nach Abzug der Tartaren in sein Land zurückkehrte, widmete er seine Sorgfalt fort­an den schwer heimgesuchten und durch das gräßliche Strafgericht entvölkerten Städten. Der König war *) *) Schon Taksony hatte angefangen einzuschen, daß die beständigen Kriege und Streifereien den Stamm der Nation zu sehr verdünnten - er berief neue Pflanzbürger, mohamedanische Bulgaren aus der asiatischen Bulgarei, Jsmaeltter wegen ihres Mohamedanismus: Ctialisier wegen ihrer Sitze an der Mündung der Volga ins Cas- pi'sche (Olbalinskl'sche) Meer, und Bessarmenier (Bö­szörmény) ebenfalls wegen der Näbe ihres Vaterlandes an Armenien genannt. Diese Jsmaeltter für den Handel sehr eingenommen, wählten sich zu ihrem Hauptorte das heutige Pest, als einen zum Handel sehr bequemen Platz; und Billa und Bocsu ihre Anführer wurden erbliche Obergespänne des Pester Comitats, unter den Bedingun­gen wie andere : Engels Geschichte der Nebenl. des ung. Reichs 1. Theil S. 96. auch eingedenk des heldenmütigen Widerstandes, wel­chen Pest an den Tag gelegt, und da der von Stephan verliehene Freiheitsbrief verloren gegangen, so er­neuerte er im I. 1244 die Privilegien von Pest, durch Verleihung einer goldenen Bulle, welche neuer­dings beweist, daß Pest und Ofen damals nur eine Stadt bildeten, indem eine nnd dieselbe Bulle beiden Städten gegeben ward. Ofen wird darin minor Pest ultra danubium (das kleinere Pest jenseits der Donau) genannt, die deutschen Bürger der Städte nennt der König „hospites nostri de Pest" (meine Gäste von Pest). Es ist dieß eine orien­talische Sitte; denn auch der Türke nennt den Fremden einen „Gast" (mussaphir), Der Inhalt dieser Bulle ist etwa folgender : Die Pester Bürger sind verpflichtet für einen Krieg, an dem der König selber Theil nimmt, 10 wohlbewaffnete Männer zu stellen. Sie sind frei von jeder Abgabe mit Ausname des Dreißigstels und der der Kirche tn Ofen (das heutige Altofen) gebührenden Salzzölle. Niemand darf von ihnen unentgeltliche Wohnung und Verpflegung verlangen. Ein Bürger darf weder seine Häuser noch seine Gründe an einen Fremden verkaufen, es sei denn dieser beabsichtige sich in der Stadt nieder zu lassen. Wer aber ein Jahr und einen Tag sich im unangefochte­nen Besitze dessen befindet, was er gekauft, darf darin nicht mehr gestört werden. Wer sich in Pest niederläßt und daselbst Besitz erwirkt, ist verpflichtet mit den ande­ren Bürgern gleiche Lasten zu tragen. Ihren Seelsorger können sie frei wählen, so auch ihren Richter, der in allen weltlichen Angelegenheiten urthetlt, doch muß der gewählte Richter dem König vorgeftellt werden. Wenn der Stadtrichter seine Pflicht nicht erfüllen sollte, hat er vor dem König oder dessen Stellvertreter zu erscheinen. Der Bize-Palatinus kann gar keine Gerichtsbarkeit bet ihnen ausüben. Der gerichtliche Zweikampf findet nicht statt bet ihnen. All ihren frühern Besitz so wie das ihnen neuerdings verliehene Kuer (Kőér Kever das heutige L-teinbruch) sollen sie behalten, verhältnißmäßig unter sich vertheilen und bebauen, damit kein Grundstück brach liegen bleibe. Die hinauf und hinunter gehenden Schiffe und Wagen sollen in Pest stehen bleiben und dort ihre Waaren ablagern. Sie können täglich Markt halten. Das kleinere Pest jenseits der Donau soll in Bezug der hinauf und hinunter gehenden Schiffe und Wägen, und der Weingärten dieselben Privilegien genießen u. s. w. König Bela verschaffte sich durch die Tartarenin- vasion aber auch die Ueberzeugung, daß die auf den Höhen liegenden Städte nicht so sehr dem Anprall dieser Horden ausgesetzt waren, wie die leichter zu­gänglichen Orthschaften der Ebene, und er ließ da­her um das I. 1247 aus dem schon erwähnten Pe­ster Berge (dem heutigen Festungshügel) eine Burg erbauen, welche die neue Festung des Pester Berges (Pestujvár, Castrum montis pestiensis) genannt wurde. Handel und Verkehr zogen sich bald hinter die schützenden Wälle der neuen Veste, und da nach ein­ander Béla IV., Stephan V., Ladislaus der Ku- manier, Andreas III., Venzel, und Otto von Bayern ihren fürstlichen Wohnsitz dort aufschlugen, nahm die Festung einen raschen Aufschwung, das ge­genüberliegende Pest mit ihrem Glanze verdunkelnd.

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