Pester Lloyd-Kalender 1859 (Pest)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1859 - Geschichte des Jahres

150 Geschichte des Jahres. rei vermocht. Ein Grenzvertrag zwischen beiden Staa­ten, den der Gouverneur von Sibirien, Murawieff, am 28. Mai zu Aihun abschloß, gestand Rußland unterhalb der Mündung des Ussuri Heide Amuruser sowie auch die freie Schifffahrt auf dem Ssungari und Ussuri zu. Nur die freie Befahrung des unteren Amur behielten sich die Chinesen vor. Von dem Punkte ab, wo die Schelka sich in den Argun er­gießt, bis dahin, wo der Ussuri in den Amur fallt, bildet der letztere Strom die Grenze beider Reiche. Damit war der, etwa zwei Jahre früher gemachte Erwerb des größten Theiles der Mandschurei traktat­mäßig bestätigt und zugleich durch die Gewinnung der Amurmündungen dem westlichen Sibirien ein fast das ganze Jahr hindurch eisfreier Zugang in den stillen Ocean erschlossen. In dem Vertrage von Tien­tsin wurde Rußland vierzehn Tage später die Oeff- nung der chinesischen Häfen, die freie Ausübung der christlichen Religion innerhalb der chinesischen Mar­ken, die Einsetzung von Consuln und die Sendung diplomatischer Agenten nach Peking gewahrt. Ame­rika erlangte außerdem für sich bald darauf noch, daß sein Handel in China demjenigen der begünstigtsten Staaten gleichgestellt und ihm überhaupt alle, einer anderen Macht eingeräumten oder einzuräumenden Rechte verliehen wurden. Die Verträge mit England und Frankreich endlich proklamirten Duldung des Chriftenthums, vindicirten dessen Verkündern den Schutz der chinesischen Behörden, erwarben für diplo­matische Agenten das Recht, dauernd in Peking zu residiren, sowie auch der Kaiser permanente Agenten in Paris und London zu acereditiren versprach, stell­ten eine Tarifrevision in Aussicht, zu der alsbald kaiserliche Cemmissarien nach Schanghai abgeordnet werden sollten, erklärten die Schifffahrt auf dem Ijantsekiang für frei, erlaubten Ausländern mit Re­gierungspässen in China zu reisen, und gewährleiste­ten den Briten, die bei dem Bombardement Canton's Einbußen erlitten, Entschädigung. Am 3. Juli ging in Peking die Ratifikation dieser Traktate vor sich: die Veröffentlichung ihres Wortlautes wird aber erst spät int Jahre 1859 erfolgen, da die vier Mächte den Kaiser von China bereits so vollständig als Mit­glied des Fürftenconcertes betrachten, daß sie ihm ge­genüber die Courtoiste beobachten, das Aktenstück nicht eher zu publiciren, als bis die Ratificationsurkunden auch wirklich ausgetauscht sein werden und die Nach­richt von der Vollziehung dieses Aktes kn Europa an­gelangt sein wird. Uebrigens zeigte die chinesische Beamtenwelt alsbald wieder auf's neue, daß sie ih­rem alten Systeme, Verträge nur abzuschließcn, um sie ni ch t zu halten, auch dies Mal getreu geblieben war. Die trotzigen Volksmaffen Canton's wollten von dem Friedensschlüsse nichts wissen; die „Braven" setz­ten ihre belästigenden Angriffe auf das britische Lager fort, und zwar offenbar in Uebereinstimmung mit ge­heimen Befehlen der Mandarinen, bis sich zuletzt Straubenzee entschloß, ihnen durch Niederbrennung des Dorfes Namtow bei Canton eine furchtbare Züch­tigung angedeihen zu lassen. Erst als die Herren in Peking sahen, daß sie die rothharigen Barbaren mit bloßen schönen Worten nicht los wurden, erschienen endlich im September zu Schanghai die chinesischen Comissaire, um die vertragsmäßige Tarifrevision vor­zunehmen. Die durch diese Verzögerungen und Hin­haltungen entstehende Muße hatten die Bevollmäch­tigten der vier Seestaaten mittlerweile mit vielem Glücke benutzt, um ähnliche Traktate mit I a p a n zu Stande zu bringen. Hier hatte Holland das Eis ge­brochen, mit dem Japan schon 1856 einen im Octo­ber des folgenden Jahres ratificirten Vertrag dahin eingegangen war: daß der niederländischen Flagge die Häfen von Nangasaki und Hakodadi erschlossen wurden und den Christen die Ausübung ihres Got­tesdienstes im Reiche gestattet ward. Viel weiter ge­hende Berechtigungen erlangten, nach ihrem energi­schen Auftreten gegen China, von Ende Juli bis An­fangs September, der Reihe nach Lord Elgin und, wenn auch nicht in ganz gleichem Grade, Baron Gros, Admiral Putiatin und Mr. Reed für ihre respektiven Nationalen. AllenMächtenward dasHalten einerAm bassade in Jeddo gestattet, anderen Europäern und Ame- . rikanern aber als den Gesandten, das Reisen im In­nern Japans noch nicht erlaubt: auch wurde der Verkehr in einigen anderen Häfen, außer den bereits f den Holländern eröffneten, freigegeben. England sicherte sich außerdem das Privilegium, in allen diesen Häfen Consuln unterhalten zu dürfen; es ließ alle Briten ermächtigen, in einem gewissen Um­kreise um alle diese Häfen sich frei zu bewegen, Grund und Boden zu erwerben, nach Belieben zu bauen, mit alleinigem Ausschlüsse der Anlegung von Befesti­gungswerken; es stipulirte, daß bis zum Jahre 1862 noch mehrere neue Häfen der britischen Flagge succes- sive eröffnet werden sollten und daß von da ab den Engländern auch der Aufenthalt in der Hauptstadt Jeddo gestattet sei; ja, es erlangte eine durchgrei­fende, sehr genaue und dem englischen Handel unge­mein günstige Revision des japanesischen Tarifes, die bis Neujahr 1872 unwandelbar feststeht. Spielte hier England die erste Rolle, so übernahm dafür Frankreich die Führung bei den Bemühungen Euro­pas, in Hinterindien der abendländischen Kultur Bahn zu brechen. Schon im August 1856 hatte die­ser Staat in Bangkong, dem ersten Hafenplatze Siams, einen Freundschafts-, Handels- und Schif­fahrtsvertrag mit letzterem Reiche abgeschlossen, in welchem die dortige Regierung den größten Theil ih­rer bisherigen Handelsmonopole zu Gunsten der Franzosen fahren ließ. Im November 1857 nun erschien eine siamesische Gesandtschaft in London, die dort einen ähnlichen Vertrag mit Großbritannien ne- gociirte und dann nach Paris reiste, wo sie die Rati­ficationen des Vertrages von Bangkong übergab. ; *

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