Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1843 (Pesth)
Der Pesther Stadt- und Landbote für das Königreich Ungarn 1843. - Erzahlungen und Sagen
30 Der Tod a l s Pathe. (Eine Sag«. Aus dem Englischen.) Wenn wir dem Schöpfer danken, uns an des Lebens- Schwelle mit einer sorglosen Kindheit beschenkt zu haben, um uns nach und nach an die Last unseres Daseins zu gewöhnen, und uns bis zum Grabe mit dem süßen Andenken an dieses Alter zu trösten, sollen wir ihm nicht auch danken, den Nationen ihre Kindheit gegeben zu haben ? Sie ist für uns, wie für die Völker, erfüllt von offenherzigen Meinungen, Hoffnungen und schönen Tagen, und seht, mit welcher Freude wir Civilisirte, wir, als eine wenigstens zu einem ehrwürdigen Alter gelangte Gesellschaft, seht mit welcher Freude wir die sanften Träume unserer Vorfahren aufsuchen, mit welcher Emsigkeit wir in der Vergangenheit wühlen, um irgend eine einfache Ballade der Vergessenheit zu entreißen, oder einige jener Mährchen, die, wie Ammengesänge die Kindheit der Gesellschaft einschläferten! Und wenn wir sie in dem Staube unserer Bibliotheken aufgefunden oder auf Reisen aus dem Munde eines wenig gekannten Stammvolkes gesammelt haben, mit welchem Eifer theilen wir sie bei unserer Rückkunft unfern Freunden mit, und wiederholen sie, ohne dabei müde zu werden, jedem, der sie hören will! Die folgende Sage ist in Siebenbürgen zu Hause. Wir dachten, sie verdiene wegen ihrer ernsten Einfalt allen jenen dargeboten zu werden, welche mit aufmerksamem SLuge durch die Zeitalter dem Denken der Nationen folgen. Ein armer Mann war Vater von zwölf Kindern, und arbeitete Tag und Nacht um Brot für sie zu gewinnen. Sein Weib brachte ein dreizehntes zur Welt. Der arme Mann, nicht mehr wissend, wie er sich und die Seinigen vor Hunger schütze, ging auf die Landstrasse, entschlossen, die erste Dame, die er treffen würde, zu bitten, Pathe seines Kindes zu sein. Da kam auf seinen langen Beinen der Tod auf ihn zu und sagte: — Nimm mich zum Pathen. — Wer seid ähr, fragte der arme Mann? — Ich bin der Tod; der alles ausgleicht, antwortete er. — Gut, versetzte der Bedrängte, ihr seid ein gerechter Mann, ihr umarmt den Reichen, wie den Armen ohne Unterschied, seid der Pathe meines Neugebornen. — Der Tod antwortete: Ich werde aus bement Kinde einen reichen, in der Weit berühmten Mann machen, benn wißt, wer mein Freund ist, hat nie an etwas Mangel. Der Tod ward so der Pathe des Kindes. Als es schon her- angewacbseu war, kam er eines Tages zu ihm, führte es in einen Wald und sagte, als sie allein waren: — Ich bin dein Pathe und will, daß du ein großer Arzt werdest. Höre was du zu thun hast: Jedesmal als du an das Bett eines Kranken gerufen wirst, will ich darauf bedacht sein, mich dir zu zeigen. Siehst du mich am Fuße deö Bettes, so sage keck bem Kranken: ich werde euch bald Herstellen. Daun lasse ich ein Kraut nehmen, das ich dir weisen werde, und er geneset. Halte ich mich aber bei dem Kopfe des Patienten uns, bann ist er mein, und du wirst sagen: Jede Hülfe ist fruchtlos; der Mann muß sterben. — Nach dieser Unterredung zeigte ihm der Tod das Kraut, und empfahl ihm, sich niemals dessen gegen seinen Willen zu bedienen. Wenig Zeit verging und unser Held war der berühmteste Arzt der Erde. „Wenn er nur den Kranken ausieht, sagt man, weiß er auf der Stelle, ob er gesund wird oder begraben." Er leistete insbesondere den Erben und den Frauen welche einen zweiten Gatten wünschten, große Dienste, indem er sie der Mühe überhob, lästige, falsche Thränen zu vergießen. Er war daher sehr gesucht: man kam von nahe und fern, ihn um Rach zu fragen, und gab ihm so viel Geld, als er nur wollte. Bald war seine Berühmtheit und sein Reichthum unermeßlich. Nun geschah es, daß der König krank wurde. Man rief ihn, um zu erfahren, ob er sterben oder genesen werde. Als er in das Zimmer trat, sah er den Tod am Kopfkissen: die Heilung war daher unmöglich. Allein der Arzt dachte, daß wenn er einen König rette, und ihn der Liebe seines Volkes zurückgcbe, indem er dem Tod einen Streich spiele, dieser nicht allzu sehr darüber zürnen und ihm vergeben werde, weil er sein Pathe sei. Er befahl also, man solle das Belt um- kehren, so zwar, daß der Tod sich an dessen Fuße befand; dann ließ er den König einige Blätter von dem heilsamen Kraute nchmen, worauf dieser eine bessere Gesundheit erlangte, als die verlorne war. Der Tod trat aber zu dem Arzte grimmentbrannt und mit einem schreckhaften Anblicke. „Jch verzeihe dir dieses Mal, was du gethan hast," sagteer, „weil ich dein Pathe bin. Wenn du mir aber wieder stiehlst, was schon mir angehört, wehe diri" — Bald nachher wurde des Königs Tochter krank, und Niemand konnte sie heilen. Der alte Vater weinte Tag und Nacht, bis er erblindete. Endlich ließ er allenthalben proklamiren, daß der Retter seiner Tochter ihre Hand und den Thron, dessen Erbin sie war, zur Belohnung erhalten würde. Unser Arzt eilte herbei, sah jedoch den Tod am Kopfe der Prinzessin. Dessenungeachtet, als er ihre Schönheit und Jugend erblickte, und an die Versprechungen des Monarchen dachte, vergaß er die Drohung deö Todes," obwohl er ihn mit gerunzelter Stirne anstarrte, und ließ die Kranke ihre Lage dergestalt verändern, daß der Tod zu ihren Füßen saß. Dann träufelte er mittelst des magischen Krautes ein rötheres Blut und ein festeres Leben in ihre Adern« Als sich der Tod abermals seiner Beute beraubt sah schritt er auf den Arzt zu und sagte: „Jetzt folge mir!" Dann ergriff er ifjn mit eisiger Hand am Arme und zog ihn in eine tiefe Höhle. In dieser Höhle sah man tausend und tausend Fackeln brennen, in unzählbaren Reihen aufgestellt. Einige waren ganz, andere bis zur Hälfte abgebrannt; wieder andere beinahe verzehrt. Jeden Augenblick löschten etwelche aus, während neue sich entzündeten, dergestalt, daß man unaufhörlich kleine Flammen herumfliegen und von einer zur andern springen sah. „Sieh," sagte der Tod, „die Fackeln des menschlichen Lebens; die noch beinahe ganz sind, gehören den Kindern, die halbverbrannten dem reifen Alter, die erlöschenden den Greisen. Allein die Kinder und jungen Leute haben öfters eine sehr kurze Fackel, und ist sie verbrannt, verfallen sie mir." Darauf sagte der Arzt: „Zeige mir die meinige.'" — Der Tod