Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1837 (Pesth)

Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1837. - Allerlei zum Zeitvertreib

30 Der gute Wunsch. An einem Neujahrstage gra- lulirte eine schwäbische Magd ihrer Herrschaft, und schloß mit den Worten: „Endlich meine gnädigste Herrschaft! wünsche ich, daß Sie in dem neue Jahr der liebe Herr Gott länger lebe lasse wolle, als im alte. Der gute Grund. „Haben Sie das gestrige Stück gesehen?« fragte man einen Israeliten in einer Ge­sellschaft; „Niemand konnte den Grund errathen, warum darin geschossen wurde«. — „Der Verfasser,« sprach der Jude, „Hot e Stück schreiben wüsten, dvus erschüttert, und as dvuß mer nit sogen füll, es sey ka Schuß Pülver wcrth«. Der verwegene Dachdecker. Auf der Spitze des luftighohen schmalen Thurmes der Kirche zu St. Peter und Paul in Petersburg, steht auf einer Kugel von beträcht­lichen Dimensionen, ein großes Kreuz haltend, ein Engel. Dieser Engel, mit dem die Witterung minder schonend umgegangen war, ais sein heiliger Charackter wohl ver­diente, wurde bedeutend schadhaft, und man vermuthete halb und halb, er habe im Sinne den irdischen Boden wieder zu besuchen. Die Sache erregte einige Unruhe im gemeinen Volke und die Behörden gericthen zuletzt in ernstliche Verlegenheit. Ein Gerüst zu solch einer Höhe aufzurichten, hätte viel Geld gekostet, und im fruchtlosen Uiberlegcn, wie da wohl abzuhelfen seyn möchte, ließ man Zeit um Zeit verstreichen. Unter dem Schwarme von Leuten , die tagtäglich ihre Blicke und Gedanken dem Engel zurichtcnd unten hiuauf- starrten, befand sich auch ein Muschick, Namens Telutsch- kin. Dieser Telutschkin war seines Gewerbes ein Dachdecker, und so nahmen seine Betrachtungen bald eine pracktischere Richtung, als die müßigen Verwunde­rungen und Muthmoßliiigen des übrigen Guckcrschwarms. Das Kirchenthurmdach war ganz mit Platten von vergol­detem Kupfer belegt und erschien dem Auge wie eine glatte Masse polirtcn Goldes. Allein Telutschkin wußte, daß das keine Masse von Gold oder von was sonst sey; daß die Kupferplatten nicht einmal gleichförmig fyavt an einan­der anlagen, und vor Allem, daß dort große Nägel, um sie festzuhalten, stacken, und daß diese aus dem Kirch- tliurmdachc hervorstanden. Nachdein er sich das Alles wohl überlegt hatte, bis er endlich zu seinem Entschlüsse kam, ging der Muschick zur Behörde und erbot sich, den Engel, ohne Gerüst und ohne Beihülfe, unter der Bedingung auszubcssern, daß mau ihm seine zu der Arbeit aufgewcndetc Zeit nach Recht und Billigkeit bezahle; ein Anerbieten, welches natürlich nicht von der Hand gewiesen mürbe. An dem zu dem Wagestücke bestimmten Tage stieg Telut ich kin mit nichts als einem Gebund Stricke ver­sehen den Thurm innen bis zum letzten Fenster hinauf. Hier schaute er denn hinab auf die gaffende Menge unten und hinaus an der glitzernden »Nadel« (wie das Volk die Tachspitze nannte), wie sic weit über seinem Haupte sich zuspitzend in den Himmclsraum ragte. Doch mit stets g trosiem Muthe stieg er ernst und bedachtsam auf die Fen- sterlciste außen hinaus und machte sich ans Werk. Er schnitt einen Theit des Seiles in die Gestalt zweier langen Steigbügel mit einer Schlinge an jedem Ende. Die obere Schlinge hing er an zweien der vorste­henden Nägel über seinem Kopfe fest und in die andern (untern) stellte er seine Füsse. Dann bohrte er die Finger der einen Hand in die Zwischenräume der Kupferplatten und schwang dann mit der anderen Hand einen seiner Steigbügel so hinauf, daß dieser einen Nagel höher hinauf fing. Dieselbe Operation nahm er denn auch zum Nach­bringen des anderen Beines vor, und so fort und fort abwechselnd. Und so klomm er, klaget um Nagel, Tritt um Tritt, Steigbügel um Steigbügel fort, bis sieh sein Abgangspunkt von der glitzernden Gvldfläche nicht mehr herauserkennen ließ und das Kirchthvrmdach selbst sich ia seiner Umschlingung zuspitzte, zuspitzte und zuspitzte, daß er es endlich ganz umspannen konnte. Sv weit ging Alles gut. Allein er hatte jetzt die Kugel erreicht — einen Ball von neun bis zel,n Fuß im Umfange. Der Engel, das Ziel seiner Kletterfahrt, war ober diesem Balle und seinen Blicken durch dessen glatte, runde, glitzernde Oberfläche noch dazu verdeckt und cntzo- ! gen. Man denke sich den Armen, wie er seine ernsthaften Augen und seinen nvch ernsthafteren Bart nach einem Hin­dernisse hinauskehrt, das menschlichem Wagemuthe und menschlicher Erfindungsgabe Trotz zu bieten schien! Allein Telutschkin ließ sich nicht abschrecken; er war auf die Schwierigkeit gefaßt gewesen; und das Mittel, mit dem er sie zu überwinden versuchte, zeigte eben die­selbe wunderbare Einfachheit, wie die ganze übrige Kraftthat. Sich schwebend in seinen Steigbügeln einhängend, schlang er um die „Nadel« einen Strick, dessen Enden er sich um den Leib band; und so gehalten — lehnt er sich S mehr und mehr langsam zurück, bis seine Fußsohlen wider ! das zugespitzte Thurmdach angestemmt wurden. In dieser | Position warf er nun, mit einem kräftigen Schwupp auf­wärts. eine Seilrolle über die Kugel weg; und so sicher war sein Augenmaß, so fest ausgeführt der Wurf gewesen, : daß das Seil gleich bei dem ersten Versuche in der erfor­derlichen Richtung niedcrfiel und er das Ende auf d^r entgegengesetzten Seite der Kugel herabhangen sah. Sich wieder in seine ursprüngliche Position hinauf zu ziehen, das Seil tüchtig um die Kugel sestzuziehen und mit seiner Hülfe nun zum Gipfel emporzuklimmen — war ihm jetzt verhältnißmaßig ein Leichtes; und in wenig Mi­nuten stand unser Telutschkin neben dem Engel und lauschte dem Jubelruf, der wie Donnergeroll plötzlich auS der versammelten Menge unten losbrach, sein Ohr aber nur wie ein schwaches, dumpfes Gemurmel berührte. Das Seil, das er jetzt gehörig sestzumachen günstige Gelegenheit hatte, setzte ihn in Stand, mit verhältniß- mäßiger Leichtigkeit hcrabzusteigen; und am folgenden Tage nahm er eine Strickleiter mit sich hinauf, mit deren Hülfe cs ihm nicht schwer ward, die nöthigen Ausbesse­rungen zu bewerkstelligen. Der Unterschied. Poldl, ein lustiger, aber sonst gutmüthiger Schusterjunge bekam immer Schläge : vom Meister, so oft er dem Altgesellen den Ehrentitel

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