Folia historica 23/1
Tibor Kovács: Einführende Worte für eine Pulszky-Ausstellung - Wien 1999
Tibor Kovács Einführende Worte für eine Pulszky-Ausstellung - Wien 1999* Zwei Jahre zuvor haben wir anläßlich des Zentenariums des Todes von Ferenc Pulszky sein Andenken an mehreren Orten und in unterschiedlicher Form würdig gefeiert. Es ist mir eine echte Freude, daß wir die damals veranstaltete Gedächtnisausstellung in etwas umgestalteter Form - jetzt hioer in Wien betrachten können, in jener Stadt, die auch heute eines der geistigen Zentren Europas ist, und in jenem Land, mit dem so viele schwere Stationen, aber eben auch sehr viele erfolgreiche Prozesse und erinnerungswürdige Momente unserer Nationalgeschichte verflochten sind. Stehen wir nun hier, so nahe bei den Erinnerungen des vergangenen Jahrhunderts, können wir leicht die Frage aufwerfen: Was ehren wir in pulszky, wenn wir aus dem Heute zurückblicken, was an seiner vielfältigen Tätigkeit hat für uns wirklich hohen Wert? Daß er ein intelligenter Polyhistor wurde, in jenem Jahrhundert, als man mit der nötigen Bildung, entsprechendem familiären Rückhalt und echter Ambition so etwas noch werden konnte? Daß er sich als Kunstsammler, Publizist und vor allem als Gelehrter europäische Bildung und ein ebensolches Beziehungssystem erarbeitete und - das ist das Wichtige - diese in seiner politischen wie auch Museologentätigkeit nutzbar machen konnte? Oder vielleicht, daß man sich in den Fachkreisen ganz Europas noch heute auf sein bekanntestes archäologisches Werk, auf die Monographie „Die Kupferzeit in Ungarn" beruft? Man könnte die Reihe dieser Fragen - genauer gesagt, rhetorischen Fragen - noch lange fortsetzen. Wir wissen: Aus der Gesamtheit dessen, was in diesen Fragen formuliert wurde, setzt sich sein ganzes Lebenswerk, der Querschnitt einer vielseitigen Tätigkeit und tatsächlich Ferenc Pulszky, die (Persönlichkeit, zusammen. Oder ist dies nur das Bild, das wir uns am Ende des 20. Jahrhunderts von ihm machen? Wie in so vielen anderen Diszipinen ist es auch die erstrangige Aufgabe der Vertreter der Kulturgeschichte, die historische Wirklichkeit, die sich in Mosaiksteinchen - also in den Personen und ihren Werken - verkörpert, authentisch aufscheinen zu lassen. Einfacher ausgedrückt: die historische Persönlichkeit (und heute wissen wir bereits, Pulszky war eine solche) und das von ihr später geschaffene Bild völlig in Einklang zu bringen. Das ist die Aufgabe der Nachwelt, ja eigentlich die ethisch leicht zu formulierende, in Wirklichkeit aber manchmal nur mit Glauben und persönlichem Einsatz erarbeitete Aufgabe gelehrter Geister der Nachwelt. Schon deshalb, weil selbst dann, wenn der Anspruch auf ein objektives Bild auch eindeutig ist, seine Verwirklichung nicht nur davon abhängt, wie sich die dafür geeigneten Personen dazu stellen, sondern auch von den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen. Da ich die gegenwärtige Ausstellung gut kenne, darf ich sagen, daß ihre Schöpfer diese schöne und interessante Aufgabe nunmehr ohne irgendwelche Einschränkungen restlos und auf hohem Niveu gelöst haben. Pulszky könnten wir sogar eine „Neorenaissance"-Politiker und -Gelehrten des 19. Jhrhunderts nennen: Er hat Rechtswissenschaft studiert und wurde dann Doktor der Philosphie; seine erste Arbeit über ein antikes Thema schrieb er mit 18 Jahren, und schon als 20jähriger wurde er zum Mitglied des Instituto di Correspondenza Archaeologica in Rom * Im 200 jähriges Jubiläumsjahr widmn w ir diese .Schrift dem Andenken von Ferenc Pulszky, der zwischen 1X69 und 1X64 der Direktor des Instituts war 15