Folia historica 23/1
Tibor Kovács: Einführende Worte für eine Pulszky-Ausstellung - Wien 1999
gewählt. Und nicht viel später, 1838, wurde er Korrespondierendes Mitglied der 1825 gegründeten Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Auf Reisen mit seinem Onkel Gábor Fejérváry (dem berühmten Kunstsammler) in halb Europa erwarb er sich seine wahren Museumskenntnisse und kam den Denkmälern der antiken Welt menschlich und fachlich nahe. Als aktiver Teilnehmer an den Bewegungen des Vormärz und den bürgerlichen Revolutionen wird er zur Emigration gezwungen, wo er neben seiner politischen Tätigkeit die wissenschaftlichen Kenntnisse über Sammlungen und Museen vertieft. Nach dem Österreich-ungarischen Ausgleich kehrte 1868 ein weltbereister, mehrere Sprachen beherrschender und hochgebildeter Pulszky in die Heimat zurück. Er besitzt breitgefacherte Beziehungen in mehreren Ländern Europas und schafft sich ähnliche binnen kurzer Zeit auch in Ungarn. Was Ferenc Pulszky alles im Laufe seiner fachlichen Laufbahn erreicht hat. dazu möchte ich gleichsam als Illustration eine Aufzählung aus dem 1906 erschienenen Werk des Biographen József Szinnyei in Auszügen zitieren: „...Er wurde Vizepräsident der Ungarischen Akjadcmie der Wissenschaften, der er eine wertvolle Bücher- und Handschriftensammlung schenkte; er wurde Präsident der Gesellschaft für Bildende Künste, die er völlig neu organisierte; ... Er wurde Mitglied und Mitarbeiter in allen wissenschaftlichen, öffentlichen Bildungs- und Kunstvereinigungen ... er wurde Vizepräsident der historischen Gesellschaft, Präident des Rates für Bildende Künste und der archäologischen Gesellschaft; er war Gründer und Förderer sämtlicher Wohlfahrtsvercinc ... mehrere ausländische wissenschaftliche Institute und Gesellschaften nahmen ihn unter ihre Ehrenmitglieder auf." All das fasse ich nun mit meinen eigenen Worten zusammen: Wenn die Liste auch nicht volständig ist, hat Pulszky im fortgeschrittenen Alter sich dank seiner Erziehung und Intelligenz, seiner politischen und menschlichen Anpassungsfähigkeit einen solchen gesellschaftlichen Rang erkämpft, daß er als Direktor des Ungarischen Nationalmuseums (zwischen 1869 und 1894), als Gelehrter, aber in gewissen Grenzen auch als Politiker, alles erreichen konnte. Jetzt kann natürlich jedermann mit Recht fragen: Sollte es der Hauptzweck der Ausstellung selbst und nicht weniger dieser kurzen Einführung sein, Pulszkys Lebenswerk der Gegenwart als Vorbild zu zeige? Wohl kaum - und doch ein bißchen. Nur soviel, um wieviel der menschliche Habitus, die Zweckgerichtetheit und Reinheit der Handlungen über Raum und Zeit hinausweien (können) und von ihnen ein diamantartiger Wert übrigbleibt (übrigbleiben kann) - vielleicht sogar bis in eine ferne Zukunft. Einer seiner späten Würdiger, Zoltán Halász, schrieb über Pulszky: „Der Freimaurer und Deist Ferenc Pulszky, der für die bürgerliche Eheschließung, die Emanzipation der Juden und andere Reformen kämpft, ein echter Splitter im Auge der Rcchtcn, steigert diese große Anziehungskraft, de der .Puls/.ky-Salon' auf Künstler, Schriftsteller und Gelehrte, aber auch auf Politiker und Bankiers ausübt. Im gesellschaftlichen Leben bedeutet es einen Rang, zu den Pulszkys freundlich zu sein." Das Zitat habe ich wegen seiner letzten Zeilen gewählt. Der Pulszky-Salon war ein Begriff. ein Intellektuellen-Treffpunkt im damaligen Budapest. Mit Hilfe unserer Ausstellung können Sie als erste Besucher in diesen - heute schon imaginären - Salon eintreten. Durch einige Seiten des Liber Antiquitatis und die Zeichnungen von Varsányi können Sie sich ein Bild von der Fejérváry- Pulszkyschcn Sammlung machen. Mit Hilfe von Stichen, Gemälden und Zitaten vermögn Sic auch die menschliche und gegenständliche Umgebung Pulszkys (genauer: der Pulszkys) kennenzulernen. Ich glaube, Sie finden solche Beziehungspunktc, daß Sie den Schritt aus dem Heute ins 19. Jahrhundert machen können, daß Sic sich hineinversetzen können in dessen viele Kämpfe enthaltende erste Jahrzehnte, und auch in sein letzes Vierteljahrhundert, in die Zeit des Dualismus, als die Monarchie - hier darf ich 16