Folia archeologica 18.

Gizella Cenner-Wilhelmb: Der Augsburger Kupferstecher Dominicus Custos und Ungarn

DOMINICUS CUSTOS 229 Festsaal in Ambras wurde mit den lebensgroßen Bildnissen Tiroler Landes­fürsten geschmückt. 1 1 Der Hofmaler Francesco Terzio von Bergamo schuf die in architektonischen Rahmen gestellten, ganzfigurigen Bildnisse der Familie von Habsburg, teilweise nach den Bronzegestalten auf dem Grabmale von Kaiser Maximilan I. 1 2 Die Zeichnungen wurden im Jahre 1569 in Innsbruck durch den Padovaner Meister, Gaspare Oselli gestochen vervielfältigt. 1 3 Er legte eine Sammlung kleinformatiger Ölgemälde von den Bildnissen aller euro­päischer Herrschergeschlechter. 1 4 Er besaß eine Bildnisfolge der berühmten Feldherrn, von ihm selbst „heroische Gesellschaft" genannt, und eine weibliche Schönheitsgalerie. 1 5 In Mitteleuropa sind aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts andere, aus ähnlichen Folgen zusammengestellte Bildnissammlungen bekannt. August Kurfürst von Sachsen beauftragte Lucas Cranach den Jüngeren mit der Anfer­tigung der Ahnengalerie im Schlosse Augustusburg. 1 6 Sein Nachfolger, Christian I. schmückte den großen Saal am ersten Stock des Dresdener Stallgebäudes mit 46 Ölgemälden der Wettiner. 1 7 Familiengeist und verwandtschaftliche Bezie­hungen spielten beim Anlegen der Porträtsammlung des Erzherzog Karl von Steiermark die Hauptrolle. 1 8 An Umfang und Inhalt ist die Porträtgalerie der bayerischen Herzöge den Gemälden von Erzherzog Ferdinand am meisten ähn­lich. Die Sammlung wurde von dem Schwager des Erzherzog Ferdinand, Her­zog Albrecht V. begründet. 1 9 Die Ambraser Sammlung unterscheidet sich doch wesentlich von den fürstlichen Kunstkammern durch ihre von einheitlichen Grundideen zwecks Besichtigung erfolgte Aufstellung, laut deren sie als das erste Museum im modernem Sinne zu betrachten sei. 2 0 Die Sammlertätigkeit bedeutete für Erzherzog Ferdinand mehr als einen üblichen, herrschaftlichen Zeitvertrieb. Nach Ableben seiner ersten Gemahlin, und nach der zweiten Heirat, die seine Hoffnungen nicht erfüllt hatte, wandte er sich mit ganzer Seele seiner einzigartiger Rüstkammer zu. Die stillen und freudevollen Mußestunden wurden aber von den aktuellen politischen Ereig­nissen gestört. Die von Ferdinand regierten Länder waren in das Habsbur­gerreich eingegliedert und nahmen an dessen Problemen teil. Ferdinand führte in seinen Jugendjahren zwei Feldzüge nach Ungarn zur Entsatzung der Festung 1 1 Hirn , J., Erzherzog Ferdinand von Tirol. II. (Innsbruck 1887) 424. 1 2 Ilg, A., Francesco Terzio, der Hofmaler Erzherzog Ferdinands von Tirol. Jahrb. d. Kunst­hist. Samml. 9 (1889) 235—262. 1 3 Thieme, U.—Becker, F., op. cit. XXVI. (Leipzig 1932) 70. 1 4 Kenner, F., Die Porträtsammlung des Erzherzog Ferdinand von Tirol. Jahrb. d. Kunst­hist. Samml. 14 (1893) 37—186. ; 15 (1894) 147—259, ; 17 (1896) 101—274. ; 18 (1897) 135—261. ; 19 (1898) 6—146. 1 5 Hirn, J., op. cit. 434—435. l e Kenner, F., op. cit. 15 (1894) 177. 1 7 Thieme, U—Becker, F., op. cit. XIV. (Leipzig 1921) 305. 1 8 Wastler, J., Zur Geschichte der Schatz-, Kunst- und Rüstkammer in der к. k. Burg zu Grätz. MCC 5 (1881) XLI. 1 9 Reber, F., Die Bildnisse der herzoglich bayerischen Kunstkammer nach dem Fickler'schen Inventar von 1598. Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen Classe der kgl. Bay. Akad. d. Wiss. 1893. 2—56. 2 0 Luchner, L., Denkmal eines Renaissancefürsten. Versuch einer Rekonstruktion des Amb­raser Museums von 1583. (Wien 1958)

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