Evangélikus Élet, 2011. július-december (76. évfolyam, 27-52. szám)
2011-10-30 / 44. szám
6 41 2011. október 30. NÉMET OLDAL Evangélikus Élet Deutsche .viloL^e hoj“ Nicht einfach Friede, Freude, Eierkuchen Von der Kunst, Konflikte als Chancen zu verstehen - Ein Mediator im Gespräch Motive, die Beweggründe, die Verletzungen, die Geschichte des Konflikts, die Bedürfnisse der Beteiligten, die vertretenen Interessen. In einem Mediationsgespräch sollen genau diese Hintergründe erhoben werden, weil dadurch ein besseres Verständnis der Streitparteien erreicht wird. Dann fallen oft auch die Lösungen leichter.- Ich kriege mit, wie sich zwei Männer auf der Straße heftig streiten. Sie beschimpfen sich und die Situation droht zu eskalieren. Was soll ich tun?- Ein direktes Eingreifen auf der Straße ist ein Akt von Zivilcourage und ein Versuch, den Ausbruch von Gewalt zu verhindern. Er ist nie ohne Risiko. Im schlimmsten Fall können sich die Aggressionen gegen den Schlichter werden. Mediation ist eine bestimmte Gesprächstechnik in einem Vermittlungsgespräch, das einen vorgegebenen, festen und frei vereinbarten Rahmen hat. Die Grundhaltungen einer Mediation helfen aber auch in einer solchen Straßenszene. Die drei wichtigsten Faustregeln für ein solches Eingreifen sind: schnell, gemeinsam und andauernd. Damit ist gemeint: nicht warten bis die Fäuste fliegen, sondern möglichst schon im Vorfeld eingreifen und zwar am besten mit einer überraschenden Idee, die die beiden Streithähne trennt und voneinander ablenkt. Wichtig ist, sich möglichst Helfer zu suchen, also Umstehende konkret anzusprechen: „Helfen sie mir, wir trennen die beiden, kümmern sie sich um den Mann links!“ Andauernd heißt, dass man sich von einer aggressiven Reaktion nicht gleich einschüchtern lässt und aufgibt, sondern versucht im Gespräch zu bleiben und neu zu agieren. Wenn man sich nicht eingreifen traut, dann kann es auch helfen, aus einigem Abstand heraus den beiden zuzurufen: „Hören sie auf, ich rufe die Polizei.“ Auf keinen Fall sollte man gewaltsam eingreifen, weil das nur neue Gewalt provoziert. ■ Simon Stritar ► Konflikte sind meist nicht leicht zu lösen. Zu vieles kommt zusammen: Menschliches, tiefer liegende Verletzungen, Krisen, die schon lange köcheln. Eine Situation, die von den - freilich persönlich be- und getroffenen - Konfliktbeteiligten kaum zu lösen ist. Ein Mediator kann helfen. Wie Konfliktbearbeitung gelingt, berichtet Dr. Martin Hoffmann, der Rektor des Predigerseminars der bayerischen Landeskirche, der zugleich als Mediator tätig ist.- Was muss man mitbringen, um ein guter Mediator zu werden ?- Mediation ist eine Konfliktbearbeitung, bei der ein Vermittler eingeschaltet wird, um einen Streitfall zwischen zwei Beteiligten zu lösen. Dabei kommt die Lösung nicht vom Konfliktvermittler, sondern von den Konfliktbeteiligten. Der Mediator hilft diesen lediglich dazu ihren eigenen Konflikt konstruktiv anzugehen und eigene Lösungen zu finden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Lösungen dauerhafter, also nachhaltiger sind, wenn sie von den Beteiligten selbst gefunden werden. Ein Mediator muss für diese Vermittlung vor allem die Fähigkeit mitbringen, zuzuhören und sich in den jeweiligen Gesprächspartner einzufühlen. Er muss aber dabei neutral bleiben, in der Mediation nennt man das allparteilich, d.h. er muss jede Seite verstehen, darf sich aber auf keine der beiden Seiten schlagen und Partei ergreifen. Deshalb muss er sich strikt mit eigenen Bewertungen und Stellungnahmen zurückhalten. Natürlich braucht er auch die Fähigkeit ein Gespräch zu führen und zu lenken, damit der Streit nicht erneut entbrennt oder aus dem Ruder läuft. Schließlich ist als innere Grundhaltung ein Verständnis von Konflikt nötig, das diesen nicht als Katastrophe ansieht, sondern als Chance: als Chance für eine Weiterentwicklung, wenn der Konflikt konstruktiv ausgetragen wird.- An wen muss ich mich wenden, und was sind die Voraussetzungen, um eine Mediatorenausbildung anzutreten?- Mediatorenausbildungen werden von ganz verschiedenen Institutionen und Einrichtungen angeboten, zum Beispiel von Initiativen, die aus der Friedensbewegung kommen oder von Bildungswerken oder inzwischen auch von Fachhochschulen. In unserer bayerischen Landeskirche gibt es eine eigene Arbeitsstätte für konstruktive Konfliktbearbeitung: Kokon - mit dem Sitz in Nürnberg. Sie kann helfen, Ausbildungen zu vermitteln oder auch in einem konkreten Konfliktfall einen Mediator zu finden. Voraussetzungen für eine Ausbildung sind eine abgeschlossene Berufsausbildung und einige Jahre Berufserfahrung.- Das Bild des Eisberges ist ein Schlüsselbegriff in Ihrer Arbeit.- Das Eisbergmodell hilft uns einen Konflikt zu verstehen. Nur ein Siebtel eines Eisbergs ragt aus dem Wasser, sechs Siebtel des Berges sind unter der Wasseroberfläche verborgen. Ganz ähnlich ist es bei einem Konflikt. Wir sehen meistens nur die Spitze des Eisbergs. Das ist der aktuelle Streitfall und die aktuellen Auseinandersetzungen. Was aber dahinter steckt, ist zunächst noch verborgen: Die Vereinsamte Großeltern, Eltern und Kinder! Die Bankkauffrau Katharina M. (Name geändert) wohnt in einer ungarischen Großstadt. Sie bemühte sich nach den Jahren an der Universität darum, eine Karriere aufzubauen. Um jeden Preis. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter ist sie wieder an ihren Arbeitsplatz in die Zentrale der Bank zurückgekehrt - nicht zuletzt, weil sie wohl befürchtete, dass in ihrer Abwesenheit an ihrem Stuhl gesägt werde. Es zählt nichts. Acht bis zehn, oft auch zwölf Stunden Arbeit pro Tag. Dann hat sie ihren Mann verloren. Nein, nicht durch Tod. Durch Scheidung. Männer brauchen offenbar etwas anderes. Hochemanzipierte Frauen sind in Ungarn augenscheinlich immer weniger geduldet — zumindest in einer Ehe. In irgendwelchen Partnerbeziehungen schon eher, aber wie lange? Vielleicht ein bis zwei Jahre. Dann wieder Partnerwechsel — und man wird immer älter. Wo hat man die alte Lebensweise und die alten Sitten verloren? Kann man oder — besser gesagt — darf man wegen der Karriere und der „Selbstfindung“ die alten Werte aufgeben? Wo hat das begonnen? Psychologen meinen, hauptsächlich in der Erziehung, im Lebensbeispiel der Eltern. Wenn Katharina M. heute mit 48 Jahren von ihrer Mutter erzählt, findet sie sich nach wenigen Sätzen in ihrer eigenen Kindheit wieder. Das passiert ihr beinahe jedes Mal. Dann erinnert sie sich an die Tage, an denen die Mutter schon morgens schweigsam am Frühstückstisch saß, hin und wieder aufstöhnte, als leide sie endlose Qualen, und plötzlich verschwunden war. Sie war nirgendwo aufzufinden. Weder im großen Haus noch im verwilderten Garten. Die ständige Angst, die vom Vater Verlassene könnte ihre Drohung wahr machen und sich im Wald erhängen, verwandelt sich nach dem Auszug Katharinas aus dem Elternhaus zunächst in eine bedrückende Beklommenheit, die aber schließlich mit der Zeit verblasst. Die Mutter wohnt in einer anderen Großstadt, nicht weit von Katharina entfernt. Doch der Umzug war ein Grund dafür, dass man sich seltener sah. Die inzwischen erwachsene Enkeltochter hat kaum eine Beziehung zu der vereinsamten Großmutter aufgebaut. Doch eines Tages ist das düstere Gefühl schlagartig wieder da. Der Klinikarzt steht vor Katharina M. und lässt sie wissen, sie müsse sich wohl nun täglich um ihre Mutter kümmern. Das erfordern der komplizierte Bruch und die schweren Depressionen. „Nach seinen ersten Sätzen habe ich gar nicht mehr zugehört“, sagt Katharina später. „Ich dachte immer nur: Unmöglich, völlig unmöglich.“ Die Mutter betrachtet den Arzt als Verbündeten, will erzwingen, dass die Tochter sie zu sich nimmt. Ein Wendepunkt also: Eine tägliche Betreuung ist notwendig geworden. Katharina M. fühlt sich maßlos überfordert. Auch ihre Tochter zeigt wenig Interesse. Sie beruft sich auf ihr Universitätsstudium. Katharina selbst hat auch wenig Zeit. Oder wenig Lust. Oder sogar keine. Ihre Mutter wäre — auch wenn sie das nie ausspricht — unerwünscht bei ihnen. Sie muss also ihre Versorgung so gut wie möglich organisieren. Das tut sie dann auch. Weil die Mutter nicht in ein Heim möchte, sorgt die Tochter für den Umzug in eine kleine, behindertengerechte Wohnung und die tägliche Betreuung durch einen ambulanten Dienst. Sie findet eine Studentin, die zwei Mal pro Woche mit der alten Frau kleine Spaziergänge unternimmt oder ihr vorliest. Auch die Enkelin kommt ab und zu vorbei. Katharina besucht ihre Mutter ebenfalls, ein bis zwei Mal pro Woche: Sie ist überzeugt: „Mehr geht nicht. Und mehr muss auch nicht sein." Die Mutter ist nicht glücklich, „aber das war sie nie“. Und dennoch: Es gibt ab und an zwischen Mutter und Tochter Momente, die einigermaßen gelungen erscheinen. Zum Beispiel wenn Katharina für sich und ihre Mutter Pudding kocht, und beide die noch warme, cremige Masse löffeln. Oder wenn sie einen alten Film anschauen oder Katharina eine Schallplatte auflegt. Fast scheint es, „dass wir uns am besten verstehen, wenn nicht gesprochen wird“. Wann sie kommt und geht, bestimmt Katharina selbst. Telefonisch ist sie stets erreichbar. Der Anruf, mit dem wenige Jahre nach dem Sturz alles zu Ende ist, erreicht sie im Urlaub. Die Frau vom ambulanten Dienst teilt ihr mit, dass die Mutter gestorben ist. Sie hat die 80-Jährige am Morgen tot in der Wohnung gefunden. Schon am Abend zuvor habe die Mutter kaum mehr Appetit gehabt. Man vermute ein Herzversagen. Katharina sagt: „Ich habe mich in den Wochen und Monaten danach immer wieder gefragt: Hätte ich es anders machen sollen? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Inzwischen bin ich mir ganz sicher: Ich muss es nicht.“ Die Geschichte der Katharina M. ist nach Meinung der Psychotherapeuten insofern typisch, als es bei Familienkonflikten oft um die Frage gehe: Dürfen erwachsene Kinder gegenüber ihren Eltern Grenzen setzen? Ja, sie dürfen, sagt eine Psychologin. Aber wie und warum entstehen diese Grenzen? Wer ist schuld daran? In der neuen ungarischen Verfassung steht: „Volljährige Kinder sind verpflichtet sich um ihre bedürftigen Eltern zu kümmern“ — XVI./4. Wie muss, kann und darf man diesen Paragraphen der Verfassung in der Praxis verwenden? Darauf soll man Antworten suchen und finden — sowohl auf kirchlicher als auch auf gesellschaftlich-sozialer Ebene. ■ Laios Káposzta jr. Karriere, Depression, Familienhass