Ernst D. Petritsch: Ergänzungsband 10/1. Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Band 1: 1480-1574 (1991)

Einleitung

Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv 15 Orientalische Akademie abgegeben worden waren; 30 solcher Stücke, darunter 15 Ori­ginale, gelangten 1861 wieder in das Archiv zurück. Zwei Jahre zuvor waren im Außenministerium elf osmanisch-türkische Dokumente, darunter so wichtige Urkunden wie der Handelsvertrag von Passarowitz (1718) oder der Friedensvertrag von Sistova (1791), gefunden worden3). Aber auch in früheren Zeiten war man mit osmanisch-türkischen Originalen nicht allzu sorgfältig umgegangen: So dürften die heute in München, Basel und Bremen4) befind­lichen, an Ferdinand I. gerichteten Sultansschreiben den Beweis dafür liefern, daß diese Originale entweder veräußert oder verschenkt worden sind. Die große historische Bedeutung der in den Wiener Archiven lagernden osmanischen Dokumente, vor allem für die mittel- und südosteuropäische Geschichte, hat wohl erstmals der bedeutende Orientalist Joseph von Hammer erkannt. Der Hofdolmetsch und in der Staatskanzlei tätige - freilich meist unterbeschäftigte - Hofrat hatte direkten Zugang zu allen wichtigen Dokumenten. Täglich verbrachte er mehrere Stunden beim Studium im Archiv und so manches osmanisch-türkische Original, das er in der Regi­stratur der Staatskanzlei fand, brachte er „brevi manu ins Hausarchiv“5). Basiert auch seine Geschichte des Osmanischen Reiches überwiegend auf den Werken osmanischer Geschichtsschreiber, so zog er doch ergänzend jene türkischen Urkunden „im k. k. Hausarchive“ heran, die er in sein Verzeichnis von viertausend osmanischen Staats­und Geschäftsschreiben, Diplomen und anderen Urkunden6) aufnahm. Ein kaum weniger ehrgeiziges Werk, als es Hammers Geschichte war, nahm der aus Komom gebürtige Antal/Anton von Gévay in Angriff. Zugleich mit einer gründlichen Ordnung der in den Turcica- und Hungarica-Reihen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs aufbewahrten Archivalien begann er eine Edition der wichtigsten einschlägigen Akten­stücke, die wegen seines frühen Todes letztlich aber nur den Zeitraum von 1526 bis 1541 umfaßte, doch immerhin besteht sein Opus aus drei dicken Bänden7). Der daraus folgende Schluß muß wohl lauten, daß eine so umfangreiche Edition von ausgewählten, wenn auch unmittelbar zusammengehörigen Dokumenten für einen einzelnen Bearbei­ter eine viel zu zeit- und arbeitsaufwendige Aufgabe bedeutet, weshalb sich bislang auch niemand fand, der Gévays Sammlung weitergeführt hätte. Erst in jüngerer Zeit lebte der Plan wieder auf, sein Werk - allerdings in einfacherer, nämlich in Regesten­form - endlich fortzusetzen8). Ein weiteres aufwendiges Werk, die von Eudoxiu de Hurmuzaki begonnene Doku­mentensammlung zur Geschichte der Rumänen enthält in einzelnen Bänden auch Wie­ner Archivmaterial im Volltext, von vielen Dokumenten freilich nur jene Passagen, die für die rumänische Geschichte relevant sind9). In der Folge wurden die Forschungsvor­haben aber bescheidener und überschaubarer. So wurden etwa 1915 die in ungarischer 3) Bittner Gesamtinventar 3 (1938) 106-109. 4) Siehe Regesten 8, 9, 33 und 40. 5) Josef Freiherr von Hammer-Purgstall: Erinnerungen aus meinem Leben“ 1774-1852, hg. von Reinhart Bachofen von Echt (Fontes rerum Austriacarum 11/70, Wien-Leipzig 1940) 273. 6) Joseph von Hammer Geschichte des Osmanischen Reiches 9 (Pest 1833, Neudruck Graz 1963) 335-680. 7) Anton von Gévay Urkunden und Actenstücke zur Geschichte der Verhältnisse zwischen Öster­reich, Ungern und der Pforte im XVI. und XVII. Jahrhunderte 3 Bände (Wien 1840-1842). 8) Karl Nehring Kaiserliche Gesandtschaftsberichte und Finalrelationen aus Konstantinopel als Quelle zur Geschichte Südosteuropas im 16. und 17. Jahrhundert in Etudes balkaniques 3 (1986) 111-114. 9) Exdoxiu de Hurmuzaki Documente privitóre la Istoria Romänilor II/l (Bucuresci 1891), III/l (Bucuresci 1880).

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