Ernst D. Petritsch: Ergänzungsband 10/1. Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Band 1: 1480-1574 (1991)
Einleitung
16 Emst Dieter Petritsch Sprache abgefaßten Schreiben der Statthalter von Ofen, die teils im Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufbewahrt werden, herausgegeben10), 1925 sechs gleichfalls hier befindliche Dokumente in serbischer Sprache11). Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit osmanisch-türkischer Paläographie und Diplomatik setzte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein12). Einer der Bahnbrecher war Georg Jacob, der für seine Untersuchungen gelegentlich türkische Urkunden aus Wien heranzog13). Der eigentliche Begründer der osmanisch-türkischen Paläographie und Diplomatik aber war Friedrich von Kraelitz-Greifenhorst, der anhand einer vorbildlichen Edition von Sultansfermanen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit dem bescheidenen Untertitel Ein Beitrag zur osmanischen Diplomatik>4) erstmals die charakteristischen strukturellen Besonderheiten osmanischer Urkunden zusammenfaßte. Grundlage seiner Untersuchung bildeten 22 von etwa tausend türkischen Urkunden aus Ragusa, die nach dem Ersten Weltkrieg vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv an das Archiv in Dubrovnik zurückgegeben werden mußten. Kraelitz-Greifenhorst plante auch, in einer Quellen zur osmanischen Geschichte genannten Reihe nach und nach alle bedeutenden osmanischen Handschriften und Urkunden der Wiener Sammlungen zu veröffentlichen15 16). Leider konnte sein großes Vorhaben infolge der wirtschaftlichen Not der Nachkriegsjahre nicht einmal begonnen werden. Auch den von ihm und von Paul Wittek begründeten Mitteilungen zur osmanischen Geschichte war aus den gleichen Gründen kein allzu langes Leben beschieden. An dieser Stelle soll der bedeutende ungarische Archivar und Turkologe Lajos/Lud- wig Fekete nicht unerwähnt bleiben. Sein Hauptwerk, die Einführung in die osma- nisch-türkische Diplomatik der türkischen Botmäßigkeit in Ungam'6) war die erste grundlegende Monographie der osmanischen Urkundenlehre. Unter den 21 mit Foto und deutscher Übersetzung präsentierten Urkunden befinden sich neun aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Pläne Kraelitz-Greifenhorst's von dem Wiener Ordinarius für Turkologie, Herbert W. Duda, allerdings in etwas bescheidenerer Form, wieder aufgegriffen. In einer Acta Osmanica zu nennenden Reihe wollte er die osmanisch-türkischen Urkunden des Haus-, Hof- und Staatsarchivs edieren. Aber auch Duda erlebte die Verwirklichung seines Vorhabens nicht mehr; es wurden lediglich Fotos der damals bekannten Originalurkunden aus der Regierungszeit Süleymäns des Prächtigen angefertigt. Die 1925 aus Paris zurückgelangten, in gesonderten 10) Sándor Takáts - Ferencz Eckhart - Gyula Szekfű (Hg.) A budai basák magyar nyelvű levelezése (Budapest 1915); fortgesetzt von Gustav Bayerle Ottoman Diplomacy in Hungary. Letters from the Pashas of Buda 1590-1593 (Indiana University Publications, Uralic and Altaic Series 101, Indiana University 1972). u) Aleksa Ivic Sest srpskih pisama iz sesnaestog stoleca in Prilozi za knjizevnost, jezik, istoriju i folklor 5 (Beograd 1925) 133-140. 12) Vgl. dazu Valery Stojanow Die Entstehung und Entwicklung der osmanisch-türkischen Paläographie und Diplomatik (Islamkundliche Untersuchungen 76, Berlin 1983). 13) Beispielsweise in Türkische Urkunden aus Ungarn (Veröffentlichung der Doktor-Hermann- Thoming-Gedächtnis-Stiftung 1, Kiel 1917). >4) Friedrich Kraelitz Osmanische Urkunden in türkischer Sprache aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur osmanischen Diplomatik (Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.- hist. Klasse, Sitzungsberichte 197, 3. Abhandlung, Wien 1921). 15) Paul Wittek - Friedrich Kraelitz-Greifenhorst Einleitung in Mitteilungen zur osmanischen Geschichte 1 (Wien 1922) 8. 16) Erschienen in der Reihe Veröffentlichungen des königlichen ungarischen Staatsarchivs (Budapest 1926).