Ernst D. Petritsch: Ergänzungsband 10/1. Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Band 1: 1480-1574 (1991)

Einleitung

14 Emst Dieter Petritsch von langer Dauer war. Erstmalig wurde im Jahr 1533 seitens der Osmanen den Habs­burgéin ein offensichtlich nicht schriftlich festgehaltener Waffenstillstand „gewährt“. 1547 wurde jener bereits erwähnte fünfjährige Waffenstillstand vereinbart, der außer Ferdinand I. auch dessen Bruder Karl V. — als spanischen König - einschloß. Nach den Auseinandersetzungen um die Zugehörigkeit der Provinz Siebenbürgen wurde 1553 auf Ersuchen der habsburgischen Vertreter Malvezzi, Verancsics und Zay - wiederum nur mündlich - neuerlich Waffenstillstand gewährt. Sämtliche drei genannten Abkommen wurden von Süleymän I. dazu benutzt, um jeweils unmittelbar danach zu einem Feld­zug gegen die schiitische Safawiden-Dynastie im Iran aufzubrechen, ohne eine Ver­wicklung in einen Zweifrontenkrieg befürchten zu müssen. Tatsächlich hielten die Habsburger alle diese Abkommen auch ein, zumindest für die Dauer des jeweiligen Perserfeldzuges. 1559 erreichte Busbecq eine formale Erneuerung des Vertrages von 1547, doch nahm Ferdinand wegen textlicher Differenzen die osmanische Vertragsratifikation nicht an. Erst 1562 konnte ein für beide Seiten akzeptabler Vertrag, diesmal für die Dauer von acht Jahren, vereinbart werden. Da die habsburgisch-osmanischen Akommen stets an die Personen der Herrscher gebunden waren, mußten sie beim Tod eines der beiden er­neuert werden. So erklärte sich Maximilian II. im Oktober 1564 bereit, den von seinem Vater Ferdinand geschlossenen Frieden zu verlängern; im Februar 1565 ratifizierte auch Süleymän I. die Vertragsverlängerung. Und nachdem der Sultan während seines letzten Ungarn-Feldzuges 1566 gestorben war, trat sein Sohn und Nachfolger Selim II. für neuerliche Friedensverhandlungen ein, deren Ergebnis im Februar 1568 ein wieder­um für die Dauer von acht Jahren befristeter Friedens vertrag war. Immer wieder durch Grenzzwischenfälle verletzt, wurde schließlich dieser Vertrag durch Selim II. im No­vember 1574, nur wenige Wochen vor seinem Tod, vorzeitig verlängert. ZUR BEDEUTUNG DER OSMANISCHEN DOKUMENTE IM ÖSTERREICHI­SCHEN STAATSARCHIV Bezeichnenderweise war es der Hofkriegsrat, der neben militärischen Belangen auch für die diplomatische Korrespondenz mit dem Osmanischen Reich zuständig war. Die Übertragung dieser Kompetenz an die Staatskanzlei im Jahre 1753 bedeutete gleichzei­tig auch, daß alle einschlägigen Urkunden und Akten an die Staatskanzlei beziehungs­weise an das direkt unterstellte geheime Haus-, Hof- und Staatsarchiv übergeben wur­den. Später wurden diese Archivalien durch Akten der Reichshofkanzlei, dann natürlich durch die in der Staatskanzlei entstandenen Registraturen, durch Nachlässe von Staats­männern sowie durch Aktenstücke aus dem Gesandtschaftsarchiv Konstantinopel er­gänzt. Solchen Zuwächsen standen gelegentlich auch Verluste gegenüber: 1809 war etwa der Großteil der Registraturen der Staatskanzlei und des Archivs nach Ungarn in Sicherheit gebracht worden, ein Teil des sogenannten „türkischen Archivs“ fiel jedoch den französischen Truppen in die Hände und wurde nach Paris verschleppt. Nach dem Wiener Kongreß gelangte die Kriegsbeute größtenteils nach Wien zurück, an die hundert türkische Urkunden kamen freilich erst 1925 im Zuge eines Archivalientau­sches mit dem Pariser Nationalarchiv wieder in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv2). Er­wähnenswert ist sicherlich auch, daß öfters türkische Urkunden aus dem Archiv an die 2) Ludwig Bittner (hg.) Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Inventare österreichischer staatlicher Archive V: Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs) 1 (Wien 1936)580-584.

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