Friedrich Würthle: Ergänzungsband 9. Dokumente zum Sarajevoprozeß. Ein Quellenbericht (1978)
Die Attentäter der „Mlada Bosna”
19 führt, und zwar anläßlich eines Festessens Belgrader Offiziere im Hotel Moskva zu Ehren der Agramer Studenten. Nach Tartaglia war Apis, Oberstleutnant des serbischen Generalstabes, mit dem Vorschlag des Jukic, den Ba- nus von Kroatien zu ermorden, einverstanden, er wäre es gewesen, der seinen Untergebenen Major Tankosic angewiesen habe, Jukic zu instruieren und mit einer Pistole und Bomben zu versorgen34). Nach Kresemir Kovacevic hingegen händigte Tankosic von sich aus Jukic die Waffen aus, und zwar gegen den Willen seines Vorgesetzten. Apis meinte, der Zeitpunkt des Attentats sei falsch gewählt, Serbien müsse, bevor es Österreich-Ungarn provoziere, mit der Türkei abgerechnet haben35). Die Methode, die man anwandte, wiederholte sich: Zuerst Attentatsgespräche, die später gar nicht geleugnet werden, dann Auslieferung der Waffen und Ausbildung der Attentäter hinter dem Rücken des Vorgesetzten, Hilfe beim Waffentransport und im allerletzten Moment, um sich zu decken, die berühmte Gegenordre, zu spät, um wirksam werden zu können. Beim Attentat von Sarajevo war es nicht anders. Wie exakt der serbische Generalstab schon im Frieden den Partisanenkrieg plante, einschließlich der heimtückischen Ermordung leitender Funktionäre und hoher Offiziere, geht aus der Agentenmeldung des Literaten Vladimir Gacinovic vom 12. Mai 1912 hervor, die in der Anklageschrift gegen den Prosvjeta-Sekretär Vasilj Grdjic angeführt wurde. Am 8. Juni 1912 kam es zu dem Anschlag auf Baron Cuvaj. Der Attentäter Jukic traf nicht den königlichen Kommissar sondern einen Begleiter, der seinen Verletzungen erlag. Jukic wurde zum Tode verurteilt, später begnadigt. Auch die bosnischen Kroaten waren über das Urteil empört, ihr Blatt, der Hrvatski dnevnik36), tobte: ,Ein junges Leben, ein junger Mensch, muß nur deshalb, weil er die Freiheit seines Volkes heiß und innig liebte, sein Dasein auf dem Galgen beenden. Während eine Ausgeburt der Hölle den Banstuhl innehat, werden anständige Charaktere, die ihr Vaterland lieben, gefesselt in den Kerker geworfen . . . Cuvaj berauscht sich unter dem Galgen am Blute Jukié . . . doch weder der Tod Zrinskis noch Frankopans, noch die Füsi- lierung Kvaterniks37) vermochten der kroatischen Nation das Freiheitsgefühl zu rauben . . . Auch von jener Seite, von welcher uns die Sonne erwärmen sollte [von Seite des Kaisers], werden wir mit Hagel geschlagen. Unser Vaterland hat niemand mehr, an den es sich wenden könnte, außer an sich selbst, an das erstarkte Bewußtsein des kroatischen Volkes.“ Landeschef FZM Potiorek legte diesen Erguß in Wien vor38) und bemerkte dazu, daß „das erzbischöfliche Blatt seit jeher noch zügelloser, als die übrige Presse [also auch 34) Oskar Tartaglia Veleizdajnik. Moje uspomene iz borbe protiv cmoiutog orla (Zagreb-Split 1928) 55ff. 35) Dedijer 499. 3S) 1912 August 13. 37) Kroatischer Aufständischer, 1871 standrechtlich erschossen. 38) Kriegsarchiv Wien: Potiorek, Persönliche Vormerkungen 1912 August 18. 2*