Friedrich Würthle: Ergänzungsband 9. Dokumente zum Sarajevoprozeß. Ein Quellenbericht (1978)

Die Attentäter der „Mlada Bosna”

13 nenten der Vereinsgründung waren 29 absolvierte serbische Hochschüler, von welchen 27 in Diensten der [bosnisch-herzegowinischen] Landesregierung standen19). 1903 wurde der Wirkungskreis der ,Prosvjeta‘ auf Lehrlinge ausgedehnt. Später kamen dazu bäuerliche Genossenschaften auf nationaler (statt kon­fessioneller) Grundlage, dann Analphabetenkurse, ambulante Volksbiblio­theken, Gründung einer Zentralbibliothek, Unterstützung serbisch-konfes­sioneller Volksschulen9 10), Bekämpfung des Alkoholismus, finanzielle Unter­stützung anderer nationaler Organisationen. 1914, nach dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand, wurde von der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung die Auflösung der .Prosvje- ta‘ verlangt, und zwar als „Akt der Staatsnotwendigkeit“. Die Begründung für diese Maßnahme: „Die ,Prosvjeta‘ schuf sich einen Wirkungskreis, welcher fast sämtliche Gebiete des Volkslebens auf streng serbisch-nationaler Grundlage umfaßt. Sie wurde auf diese Weise zu einer Zentralstelle, welche über das ganze Land ein Netz nationaler Organi­sationen spannte und ein präzises Hand-in-Handarbeiten aller serbisch-nationalen Verbände schuf.“ Weiters heißt es in dem Auflösungsbescheid: Die ,Prosvjeta‘ handelte „inkorrekt und mit ihrer Aufgabe als Kulturverein im Widerspruch, wenn sie relegierten Studenten und Schülern österr.-ungar., bzw. bosnischer Unterrichtsanstalten Unterstützungen gewährte, ihnen ihr Fortkommen in Serbien ermöglichte und Empfehlungsschreiben ausstellte, wodurch sie sich offenkundig auf die Seite der renitenten Schüler stellte, ihre Disziplinlosigkeit, beziehungsweise intransigente Haltung, gegen Autorität und Verwaltung unterstützte und die Tätigkeit der heimischen Behörden paralysierte.“ Zusammenfassend hieß es, „die politische Betätigung der .Prosvjeta“ bietet einen un­widerleglichen Beweis, daß dieselbe eine oppositionelle und illoyale, in ihren Tenden­zen radikale sowie in ihren Endzielen eine durchaus monarchiefeindliche, ja, in Hin­blick auf den im Attentatsprozeß konstatierten Zusammenhang mit der ,Narodna od- brana“, eine staatsgefährliche war“ u). Bis Ende 1910 gründete die .Prosvjeta“ 84 bäuerliche Genossenschaften, 1912 hatte dieser Kulturverein 76 Subausschüsse im ganzen Land (auch in größe­ren amerikanischen Städten) und außerdem 279 Vertrauensmänner. Elf jener 9) Aus der Prosvjeta-Denkschrift 1912: Spomenica o proslavi desetogodisnjice Prosvjete, pregled prosvjetnog i kulturnog rada Srba Bosne i Hercegovim 1902-1912, wiedergegeben in dem amtlichen Bericht über die Tätigkeit der Prosvjeta 1914 Okto­ber 31 (SAA) 3f. 10) Der Kaiser genehmigte am 13. August 1905 das Statut über die Regelung der Kirchen- und Schulverwaltung der serbisch-orthodoxen Eparchien in Bosnien und der Herzegovina. Das Statut gab der großserbischen Arbeit ungeheuren Auftrieb, es ge­währleistete nämlich als Geschäftssprache in allen Angelegenheiten der serbisch-or­thodoxen Kirchenverwaltung die serbische Sprache mit cyrillischen Schriftzeichen, als nationalkirchliche Fahne die rot-blau-weiße Trikolore Serbiens, die Versammlungs­freiheit, wenn über Kirchen- und Schulsachen zu beraten war, den Einfluß der Laien auf Geistliche und Lehrer, Verwaltungs- und Verfügungsfreiheit über das Kirchen­vermögen, freie Lehre in den serbischen nationalen und konfessionellen Elementar-, Mittel- und Fachschulen sowie die Aufsicht über diese; vgl. Fritz von Reinöhl Groß­serbische Umtriebe vor und nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges I: Der Fall Jeftan- ovic - Sola — Gavrila (Wien 1944) XII. Siehe dazu unten S. 120. “) Prosvjeta-Bericht (wie Anm. 9) 50.

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