Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)

I. Einleitung

Einleitung 21 gesetzlichen Regelung vorläufig ausgeklammert wurden 44). Den Parteien war es klar, daß, wenn vor den Wahlen überhaupt eine Verfassung Zu­standekommen sollte, diese nur ein Torso sein könnte. Nach diesem Kompromiß gestalteten sich die weiteren Verhandlungen zügig, wenngleich die Beratungen des Verfassungsunterausschusses auch während der Parteienverhandlungen weiter gegangen waren. Am 23. Sep­tember 1920 wurden die Beratungen im Verfassungsunterausschuß ab­geschlossen. In der 24. Sitzung des Verfassungsausschusses am 24. Septem­ber 1920 erstattete Seipel einen Bericht über die Beratungen des Ver­fassungsunterausschusses (vgl. den nachkonstruierten Entwurf des Ver­fassungsunterausschusses, S. 500). Auf Grund der Arbeitendes Verfassungs­unterausschusses beriet der Verfassungsausschuß am 24. und 25. September 1920 den Verfassungsentwurf. Seine Beratungen faßte der Verfassungs­ausschuß in einem Bericht an die konstituierende Nationalversammlung zusammen (991 d. B. zu den Sten. Prot, der konst. NV.)45 46). Vom 29. Sep­tember bis zum 1. Oktober 1920 (100. bis 102 Sitzung) fanden die Be­ratungen im Plenum des konstituierenden Nationalversammlung statt. 5. Aus der Darlegung des Ablaufes und des Inhaltes der politischen und rechtlichen Ereignisse, die schließlich zur Beschlußfassung über das Bundes-Verfassungsgesetz geführt haben, treten jene Probleme deutlich hervor, die die Schwerpunkte in der Verfassungsfrage gebildet haben. Der Jurist wird sich fragen müssen, wie diese geordnet wurden und welches Schicksal diese Ordnung im Laufe der Verfassungsentwicklung erfahren hat. Dies ist nicht nur von verfassungshistorischem Interesse. Sie geht den das Verfassungsrecht Anwendenden, d. i. den Juristen und den Politiker, in gleicher Weise an. Das vor allem dann, wenn an der Recht­sprechung des Verfassungsgerichtshofes festgehalten wird, nach der die Verfassung als starre Verfassung anzuwenden ist, d. h. den in ihr auf­genommenen Begriffen jene Bedeutung beizulegen ist, die sie schon im Zeitpunkte ihres Wirksamkeitsbeginnes gehabt haben. Diese als „Ver­steinerungstheorie“ 4e) bekannte Rechtsprechung hat grundlegende Be­deutung für die Stabilität eines Verfassungswerkes, das wie das öster­reichische auch von Rechts wegen jedweder Änderung unterliegen kann, 44) Vgl. Arbeiter-Zeitung v. 19. 9. 1920. Die Arbeiter-Zeitung v. 26. 9. 1920 berichtet von der folgenden Äußerung Dannebergs im Unterausschuß: „Es bleiben daher nur zwei Möglichkeiten: entweder die Verfassung überhaupt scheitern zu lassen oder wenigstens den Teil der Verfassung, über den sich die Parteien geeinigt haben, zu beschließen, die Entscheidung über die Schulfrage, über die eine Einigung derzeit nicht möglich ist, der nächsten Nationalversamm­lung zu überlassen...“ Vgl. auch die Reichspost v. 18. 9. („Die Entscheidung in der Verfassungsfrage“) und v. 19. 9. („Eine Verständigung über die Verfassungs­arbeit“) sowie vom 26. 9. („Die Bundesmechanik“). 45) Siehe diesen Bericht unter S. 547. 46) Vgl. Ermacora, Der Verfassungsgerichtshof, 1956, S. 147 ff.

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