Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)

II. Texte und Dokumente - 9. Protokolle des Unterausschusses des Verfassungsausschusses der konstituierenden Nationalversammlung

270 Protokolle des Unterausschusses daß mit dem Satz, „die Länder übertragen dem Bunde“ zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Länder primäre Gewalt besitzen 9). Spätere Beratungen führten, allerdings haben noch nicht alle Länder ihre Zu­stimmung gegeben, zur Wahl der Worte: „Bundessache ist, hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung ...“ Abschließend regt der Staatssekretär an, nicht den Entwurf Dr. Ren­ners als Grundlage der Beratungen zu nehmen, da sich dann die Differenz­punkte zwischen den Entwürfen der Christlichsozialen, der Sozial-Demo- kraten und der Großdeutschen Vereinigung leichter hervorheben lassen. Auch Dr. Seipel beantragt, sich mit der Systematik der letzteren Entwürfe einverstanden zu erklären, worauf der Berichterstatter die Notwendigkeit einer Rahmengesetzgebung des Bundes erörtert, die er mit Beispielen aus früherer Zeit belegt. Zur Frage der Systematik verweist Min. Rat Dr. Froehlich dar­auf, daß zahlreiche Materien in die Kompetenz verschiedener Staats­ämter gehören und bei einer Gliederung des Stoffes nach Bundesministe­rien Kompetenzstreitigkeiten nicht zu vermeiden wären, daß aber an­dererseits auch Angelegenheiten in der Verfassung erwähnt werden müssen, die keinem Staatsamt zugehören, wie z. B. die Verwaltungs­gerichtsbarkeit. Prof. Dr. Kelsen fügt hinzu, daß zwar die Linzer Entwürfe wie alle übrigen mangelhaft und reformbedürftig seien, daß sich aber eine Komptenzabgrenzung nach zwei Gesichtspunkten wie sie der Entwurf Dr. Renners versucht, nicht durchführen lasse und Unstimmigkeiten im Gefolge habe. Auch er redet - einer Rahmengesetzgebung das Wort, nur müsse man die Länder verpflichten, diese Gesetze binnen einer be­stimmten Frist durchzuführen 10). Der Vorsitzende bringt hierauf den Antrag Dr. Seipel zur Abstimmung, daß die Dreiteilung beizubehalten sei, womit implicite fest­gestellt wird, daß alles, was nicht ausdrücklich dem Bunde Vorbehalten ist, in den Wirkungskreis der Länder fällt. (Antrag angenommen). Wei­ters beantragt er, mit Rücksicht auf die vorliegende Gegenüberstellung des christlich-sozialen und des sozialdemokratischen Entwurfes in der Linzer Fassung — der großdeutsche Entwurf wird sich unschwer mitbe­handeln lassen — den Linzer Entwurf als Grundlage der Verhandlung11) zu nehmen, wobei es notwendig seift wird, im Art. 10 nur teilweise behandelte Dinge gemeinsam mit Art. 11 zu behandeln. (Angenommen). 9) Das ist nach wie vor herrschende Lehre. Vgl. Adamovich-Spanner Hdb. des österr. Verfassungsrechtes (1957), S. 138; Ermacora, Verfassungs­gerichtshof, 1956, S. 147 f. 10) Vgl. heute in etwa den Art. 15 Abs. 6 B.-VG. n) Vgl. hiezu die Ausführungen in der Einleitung (S. 19) und den Text des Entwurfes auf der S. 106 dieses Buches.

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