Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)

II. Texte und Dokumente - 9. Protokolle des Unterausschusses des Verfassungsausschusses der konstituierenden Nationalversammlung

1. Sitzung 271 Der Vorsitzende leitet hierauf die Einzelberatungen ein und das Sub- komitée beschließt über seinen Antrag, daß Abs. 1 des Art. 10 zu lauten hat: „Bundessache ist die Gesetzgebung und Vollziehung in folgenden An­gelegenheiten“. Im Folgenden haben dann die bestimmten Artikel zu entfallen. Zu Pkt. 1 lä) empfiehlt der Berichterstatter nach dem Wort „Ausland“ einzufügen: „insbesondere der Abschluß aller Staats- v e r t r ä g e“, was zwar nach Anschauung des Staatssekretärs Dr. Mayr nicht notwendig sei, aber einem Wunsche des Staatsamtes für Äußeres entgegenkomme. Nachdem auch Prof. Dr. Kelsen diesen Vorschlag unterstützt, weil sich in den Ländern die Tendenz zum Abschluß von Staatsverträgen zeige, wird der Antrag angenommen. In diesem Zusammenhänge gelangt auch die Frage zur Erörterung, wer zur Kriegserklärung kompetent sei, wobei Staatssekretär Dr. Mayr auf die Schwierigkeit hinweist, daß es noch nicht sicher sei, in welcher Form die Gesetzgebung durchgeführt wird — Bundesrat oder Bundestag. Es sei fraglich, welche Organe ein solches Gesetz zu beschließen hätten, nicht fraglich sei es aber, daß die Länder eine Kriegserklärung nicht be­schließen können. Prof. Dr. Kelsen gibt zu bedenken, daß wir nach dem Friedensvertrag 13) keinen Krieg führen dürfen und auch kein In­strument dafür haben; schon aus politischen Gründen würde sich nicht empfehlen, an die Spitze dieser Verfassung die Kriegserklärung zu stellen. Auch Staatssekretär Dr. Mayr möchte nur das unbedingt Notwendige aufnehmen 14). Punkt 2 wird in der Linzer Fassung angenommen, nur wird über Antrag des Vorsitzenden anstatt des Wortes „diesem“ das Wort „ihm“ gesetzt. Bei Punkt 3 entwickelt sich über die Einführung der Bürgerliste eine längere Auseinandersetzung, in deren Verlauf Min.-Rat Dr. Froeh- 1 i c h und Sekt.-Rat Dr. Mannlicher den Wert der Führung solcher Listen nach belgischem Muster mit der Wichtigkeit dieses Behelfes bei Wahlen in den Bundestag und bei Volksabstimmungen begründen, Dr. Danneberg und M. Eldersch aber der Anschauung sind, daß bei den Wahlen, trotzdem wegen der unvermeidlichen Mangelhaftig­keit solcher Aufzeichnungen jedesmal neue Wählerlisten unentbehrlich wären und die Kosten der Evidenthaltung namentlich in der Millionen­stadt Wien die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates weit übersteigen. Keinesfalls dürfe die Aufnahme in die Bürgerliste an eine gewisse Seßhaftigkeit gebunden werden. Staatssekretär Dr. Mayr erklärt, er 12) Derzeit Art. 10 Abs. 1 Z. 2 B.-VG. 13) Gemeint war der Staatsvertrag von St. Germain, StGBl. Nr. 303/1920. ii) Bestimmungen über eine Kriegserklärung finden sich in den Art. 38 und 40 Abs. 2 B.-VG.

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