Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)
I. Einleitung
14 Einleitung Auf Grund der Ergebnisse der Salzburger Länderkonferenz überarbeitete Mayr den von ihm vorgelegten Verfassungsentwurf1G). Diese zweite Fassung des Mayr-Entwurfes ist gekennzeichnet durch eine teilweise Umgruppierung der Kompetenzen, und durch Änderungen bezüglich der Länderkammer und der Stellung des Bundespräsidenten 16 17 18). Noch vor Beginn der Linzer Länderkonferenz wurden von der sozialdemokratischen Partei1S) und von großdeutschen Kreisen 19) Verfassungsentwürfe vorgelegt. An der Länderkonferenz in Linz (20. bis 23. April 1920) nahmen wiederum Vertreter der politischen Parteien aus allen Ländern teil. Erstmals war auch die Staatskanzlei in der Konferenz offiziell vertreten, auch ein Experte vom Range Kelsens wird als Teilnehmer an dieser Konferenz genannt 20). Folgende Fragen wurden auf dieser Länderkonferenz erörtert: Die sozialdemokratischen Vertreter wiederholten und präzisierten ihre Gedanken, die sie schon in Salzburg geäußert hatten: Die Nationalversammlung, d. i. das Volk — richtiger die Parteien — sind berufen, die Verfassung zu beraten; Österreich solle „als Zentralstaat“ aufgebaut werden (S. 8). Man könne nur dann einem föderalistischen Prinzip näher treten, wenn mit der Verfassungsfrage die Verwaltungsreform erfolgt und der „föderalistische Gedanke lückenlos bis zur Gemeinde seine Durchführung findet“ (S. 21). Man wandte sich wiederum gegen die zweite Kammer (S. 9, 29). Der deutschfreiheitliche Grundsatzredner bekannte sich zum Bundesstaat (S. 11 f.). Der christlichsoziale Grundsatzredner ging auf den eigentlichen Tagesordnungspunkt ein: auf die Kompetenzfrage. Föderalismus im Finanzwesen wurde gefordert, die autonome Gewalt der Länder dürfe nicht weiter eingeschränkt werden als im alten Österreich (S. 13), der monokratische Verwaltungsunterbau dürfe nicht beseitigt werden, denn dann gehe der aufsichtführenden Landesverwaltung der Einfluß verloren (S. 13). Die übrigen Debattenredner kamen auf gleichartige Probleme zu sprechen. Die Bedeutung des Schulwesens für den föderalistischen Staatsaufbau wurde hervorgehoben (S. 14, 16, 17, 19, 27). 16) Vgl. Reichspost v. 14. 4. 1920; Die Arbeiter-Zeitung berichtete darüber nur kurz unter der Schlagzeile: „Mayr in zweiter Auflage“, Arbeiter-Zeitung v. 14. 4. 1920, S. 3. 17) Vgl. dazu die Stellungnahme der Arbeiter-Zeitung v. 15. 4. 1920. 18) Antrag Abram (der Entwurf wurde erst am 7. Juli 1920 bei der Nationalversammlung eingebracht, 904 d. B. zu den Sten. Prot, der konst. NV.;) Siehe unten S. 152. >9) Antrag Dinghofer (der Entwurf wurde am 18. Mai 1920 bei der Nationalversammlung eingebracht, 842 d. B. zu den Sten. Prot, der konst. NV.); Siehe unten S. 78. 20) Für das folgende siehe: Sten. Verhandlungsschrift der Länderkonferenz in Linz vom 20., 21., 22. und 23. April 1920, Verlag des oberösterreichischen Landrates in Linz; Vgl. ferner die Berichte in den Tageszeitungen und Parteiorganen vom 20. bis 24. April 1920.