Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)

Vorwort

2 Vorwort Die erste Phase der Bemühungen um die österreichische Bundesver­fassung ist durch eine schon veröffentlichte Dokumentation gekenn­zeichnet. Es handelt sich um die Protokolle von den Länderkonferenzen in Salzburg und in Linz. (Vgl. hiezu die Stenographische Verhandlungs­schrift über die Länderkonferenz in Salzburg am 15., 16. und 17. Februar 1920, erschienen im Verlag der Landesregierung in Salzburg sowie die Stenographische Verhandlungsschrift über die Länderkonferenz in Linz am 20., 21. und 23. April 1920, erschienen im Verlag des oberösterreichi­schen Landesrates in Linz). Eine dritte Dokumentation müßte sich mit den Beratungen des Natio­nalrates befassen, in denen die Debatte und die Annahme jener Ver­fassungsnormen erfolgte, die als die Verfassungsnovellen 1925 und 1929 bezeichnet werden. Anklänge an eine entsprechende Dokumentation fin­den sich im Werke Seipels, Der Kampf um die österreichische Ver­fassung, 1930. Daß sich erst nach Vorliegen einer vollständigen Dokumentation eine objektive historische Interpretation des österreichischen Verfassungs­werkes ermöglichen ließe, bedarf im Hinblick auf die juristische Inter­pretationslehre keines Beweises. In dieser Ausgabe aber wird weder die historische Interpretation noch die vollkommene Dokumentation ange­strebt. Die Österreichische Staatskanzlei der Republik Österreich führte unter der GZ1.102/70 u. a. Protokoll über die Sitzungen des Unterausschusses des Verfassungsausschusses der konstituierenden Nationalversammlung, die vom 11. Juli 1920 bis zum 23. September 1920 in Wien währten. Der Unterausschuß war auf Grund einer Initiative des sozialdemokratischen Politikers Dr. Otto Bauer am 8. Juli 1920 durch den Verfassungsaus­schuß der konstituierenden Nationalversammlung einberufen worden. Die Protokolle über die Sitzungen dieses Unterausschusses werden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Kurzauszüge über die Sitzungen finden sich in den Tageszeitungen des Jahres 1920. Doch geben sie für die nach Wahrheit strebende Forschung kein vollständiges Bild von den Beratun­gen. Um die Bedeutung dieser Protokolle ins rechte Licht zu rücken, schien es dem Herausgeber unerläßlich, den unmittelbaren verfassungs­politischen Hintergrund zu skizzieren, der das Wirken des Verfassungs­unterausschusses abzeichnet. Der Verfasser der Einleitung konnte hiebei auf ein wissenschaftlich vollkommen ausgebreitetes Material nicht zurück­greifen, das der Einführung in die Veröffentlichung der Protokolle des Verfassungsunterausschusses dienlich gewesen wäre. Das einzige zeit­nahe Material, das nicht schon wie die Beiträge Hans Kelsens und Adolf M e r k 1 s in Fachzeitschriften und Fachbüchern durch eine dog­matische Sicht gefiltert ist *) oder sich wie bei Adamovich juristisch *) Siehe: Kelsen-Froehlich-Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, 1922, S. 53 ff.; Kelsen, österreichisches Staatsrecht, 1923,

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