Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

47 den Vorsitz der Konferenz65 66). Aber auch diese Neugestaltung brachte weder dem Staatsrat einen Aufschwung, noch konnte die Konferenz, die zu einem Staatsrat über dem Staatsrat herabsank, gedeihlich wirken. Hie­zu trug wesentlich das schon erwähnte Widerstreben des Kaisers gegen konferenzielle Beratungen, seine Neigung zur Behandlung der Geschäfte im Kabinettswege bei. Maria Theresia hat wiederholt über ihr wichtig erscheinende Angele­genheiten Gutachten von Männern eingeholt, die sich ihres besonderen Vertrauens erfreuten, und durch ihre Kenntnisse auf dem in Frage stehen­den Gebiete hervorragten “). Joseph und ebenso Leopold pflegten mili­tärische Angelegenheiten betreffende Akten durch Feldmarschall L a c y begutachten zu lassen67). Ansonst hat Joseph die Heranziehung außer­halb des zuständigen Kreises stehender Fachmänner zur Begutachtung nur ausnahmsweise 68), Leopold scheinbar überhaupt nicht geübt. Franz zog Lacy in derselben Weise wie seine Vorgänger zur Mitarbeit heran67); von dieser Ausnahme abgesehen ist aus dem ersten Jahrzehnt der Regie­rung Franzens kein Beispiel einer Begutachtung durch besonders heran­gezogene Fachmänner bekannt. Erst von 1802 an — es dürfte dies mit dem hohen Alter des Kabinettsministers Zusammenhängen, der damals schon im 76. Lebensjahre stand — holte Franz öfter derartige Gutachten ein. Mit dem Absinken der Stellung Colloredos im Jahre 1805 mehren sich die Fälle und bald ward diese Art der Geschäftsgebarung zur regelmäßigen Einrichtung; es bildeten sich allmählich feste Referate aus, für deren Träger der Name Kabinettsreferenten geläufig wurde. Diesen Referenten übergab der Kaiser Geschäftsstücke auch, nachdem schon der Staatsrat und etwa auch die Konferenz zu ihnen Stellung genommen hatten, zur Begutachtung; ihr Gutachten gab zumeist den Ausschlag. Oft bediente sich der Kaiser auch nur der Kabinettsreferenten zur sach­lichen Bearbeitung des Einlaufes. Auch Begutachtung durch mehrere Ka­binettsreferenten ist zu beobachten. Die Kabinettsreferenten hatten freien Zutritt zum Kaiser, dem diese Art der Behandlung ,,im Kabinettswege“ weit mehr zusagte und ersprießlicher erschien als weitläufige Beratungen im Staatsrat und in der Konferenz. Es ist klar, daß diese Weise der Ge­65) Vgl. F. Reinöhl, Staatsrat, in Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 2, S. 224, ferner Hock-Bidermann, a. a. O., S. 664 ff., H. v. Srbik, Metternich Bd. 1, S. 458 ff. 66) S. S. 26. 67) B 2 vom 1. 3. 1792 an Lacy, Kaiser Franz II. ersucht ihn um seinen „freundschaftlichen Rath in allen Militärgegenständen auf eben die Art, wie Sie es ... während der Regierungen Weiland Seiner Majestät Meines Herrn Oheim und Weiland Seiner Majestät Meines Herrn Vaters befolgt haben“. Siehe auch E. Kotasek, FM. Graf Lacy, Horn, o. J. (1956), S. 248 f. 68) StR. ZI. 792/1773 dem Hofrat Spiersch zur Begutachtung übersandt s. Prot. Sep. Adl. zu Kab. Prot. Bd. 1 b, P. 405. Lacy erhielt wiederholt Ausar­beitungen Kaunitz’ zur Begutachtung, Kotasek, a. a. O., S. 248.

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