Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 2. Die Kabinette Maria Theresias

27 wendete Maria Theresia den böhmischen obersten Kanzler Friedrich August Grafen Harrach, der „viel wichtige, sehr geheime und mir sehr angelegene Schriften von mir selbst gehabt, auch in viel Privat­sachen“; sie verlor ihn durch seinen am 4. Juni 1749 erfolgten Tod. In Studienangelegenheiten beriet Gerhard van Swieten die Kaise­rin; auch in Zensursachen pflegte sie ihn zu befragen88 89). Besser unter­richtet sind wir über das Wirken des wirklichen Hofrates und geheimen Referenten der österreichischen Hofkanzlei Franz Salesius Ritter von Greiner. Er führte bei der Hofkanzlei das Referat über Nieder­österreich einschließlich Wiens. Maria Theresia überwies ihm daher — es läßt sich dies seit 26. August 1774 nachweisen — vornehmlich in seinen amtlichen Wirkungskreis fallende Geschäftsstücke zur Begutachtung, aber auch Angelegenheiten der übrigen Erblande, so Unterrichtssachen — van Swieten war 1772 gestorben —, Aufhebung der Fr ohne in Böhmen usw. Jeden Mittwoch erschien Greiner bei der Kaiserin, um ihr seine Ausarbei­tungen zu überreichen und mündlich zu erläutern. Auch Resolutionen hat Greiner entworfen 90). Vereinzelte von der Kaiserin anbefohlene Gut­achten liegen vor von dem Oberstkämmerer Johann Josef Gra­fen Khevenhüller91) und von Franz Philipp von Biber 92). Von Fürst Georg Starhemberg, damals Gesandten in Paris, holte sie 1764 ein Gutachten über die geplante Verwaltungsreform ein93). Auch dem Präses des siebenbürgischen Guberniums Samuel von Brukental ließ Maria Theresia Vorträge zur Begutachtung zuge­hen 94). Zur Bearbeitung der Vorträge des Hofkriegsrates zog die Kaiserin den Feldmarschall Franz Moritz Grafen Lacy heran; sie ernannte ihn im Mai 1774 zum Staats- und Konferenzrat und beauftragte ihn jene Vorträge durchzuarbeiten, mit seinen Gutachten zu versehen und die zu treffenden Entscheidungen zu entwerfen; 1779 wurde insoferne eine Än­derung getroffen, als die Resolutionen fortan im Kabinett nach den Gut­achten Lacys verfaßt wurden. Lacy war bis Jänner 1801 in dieser Weise tätig 95). 88) Auftrag an den Hofkriegsratspräsidenten Josef Grafen Harrach, diese abzuliefern, Arneth, Maria Theresia nach dem siebenjährigen Kirege, S. 25. 89) Gutachten dess. AKA., Fasz. 1, 11. 1., 18. 1., 27. 1., 2. 6. 1766. so) Arneth, Maria Theresia und Greiner SBWA., Bd. 30, S. 311, insbes. S. 318, 327, 334 Nr. 6, 349 Nr. 33, 361 Nr. 51, 366 Nr. 57. Greiner starb 2. 6. 1798. Ein Gutachten Greiners über Schulangelegenheiten 26. 8. 1774 AKA., Fasz. 1. 91) 1747 über Haugwitzens Plan betr. die Kameralgefälle in Kärnten, AKA., Fasz. 12. 92) 21. 7. 1754 über die Besteuerung des Halliger Salzes, AKA., Fasz. 7, G XII—11. 93) F. Walter, Der letzte große Versuch einer Verwaltungsreform unter Maria Theresia, MIÖG., Bd. 47, S. 440. 94) Püchler an Brukenthal 20. 11. 1776, Archiv f. Siebenbürg. Landeskunde, Bd. 31, S. 137, Nr. 107. »5) E. Kotasek, F. M. Graf Lacy, Horn o. J. (1956), S. 120, 215 f., 248 f.

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