Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)
I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 3. Das Kabinett Josephs II. bis 1780
28 3. Das Kabinett Josephs II. bis 1780 Die Anfänge des Kabinetts Josephs II. zeigen ein ähnliches Bild wie unter Karl VI. Auch hier war es zunächst ein dem Erzherzog persönlich nahestehender Mann, sein einstiger Lehrer Christian August von Beck, dem bei des Erzherzogs Etablierung die Führung seiner Sekretärsgeschäfte als „Cabinets-Sekretär“ anvertraut wurde1). Ihm folgte in dieser Stellung der ehemalige Erzieher Josephs, der k. k. Hofrat Philipp Stefan Freiherr von Lamine, der scheinbar im März 1762 ernannt wurde 2). Beck und Lamine dürften wohl allein die kaum umfangreichen Aufgaben eines erzherzoglichen bzw. später königlichen Sekretärs bis zu jener Zeit erfüllt haben, da der am 18. August 1765 plötzlich erfolgte Tod Kaiser Franz I. seinen ältesten Sohn den Staatsgeschäften zuführte. Am 27. März 1764 zum römischen König gekrönt folgte Joseph dem Vater als römischer-deutscher Kaiser nach und am 17. September übertrug ihm Maria Theresia die Mitregentschaft 3). Ein Sekretär genügte nun nicht mehr zur Versehung der Joseph aus seinen staatlichen Stellungen erwachsenden Schreibgeschäfte. Er erweiterte daher sein Kabinett4) und besetzte es mit zwei „kaiserlichen geheimen Kabinetts-Sekretären“ und zwei „geheimen Kabinetts-Kanzlisten“. Von den beiden Kabinettssekretären versah der eine, Emanuel Johann Freiherr Röder von Pola, der bis 1769 in seiner bisherigen Zugehörigkeit als Commis der Reichshofkanzlei verblieb 5), die Reichsgeschäfte bis zu seinem am 5. Juli 1772 erfolgten Tod. Joseph II. sagte von ihm 1765 „c’est un homme comme il me faut, car il me dit la vérité rondement et apelle un chat un chat“. Röder, der wenn auch als melancholischer, so doch auch als sehr humorvoller und sittenstrenger Mann bezeichnet wird, soll auch durch diese beiden Eigenschaften die Zunei!) Reichsregisterbuch Franz I. Bd. 14, fol. 199, Lebensgeschichte s. Groß, a. a. O. S. 400. 2) Arneth, Maria Theresia nach dem Erbfolgekrieg S. 522, Wendrinsky, Kaiser Josef II., S. 31. OMeA., Hofparteiprotokoll 1762, fol. 733. 3) Reinöhl, Die Übertragung der Mitregentschaft durch Maria Theresia an Großherzog Franz Stephan und Kaiser Joseph II., MIÖG., Ergbd. 11, S. 650 ff. 4) Der Reichsvizekanzler spricht 1. 3. 1765 schon von „Euer königl. Mt. Cabinet oder Haußcanzley“, Reichshofrat und Kanzlei, Verfassungs-Akten, Fasz. 60, Konv. 1. 5) Roeder war 2. 3. 1759 zum kaiserlichen Rat und Commis bei der Reichskanzlei ernannt worden. Hier hatte er — neben den Kanleiangestellten verwendet — den kaiserlichen Dienst zu versehen, weshalb er in kaiserliche Pflicht genommen wurde. Die Weisungen zur Erledigung der ihm obliegenden französischen Geschäfte erhielt er vom Reichsvizekanzler (Reichskanzlei, Verfassungsakten, Fasz. 45, Konv. d). Nach dem Tode Kaiser Franz’ scheint Joseph II. ihn bei Belassung in seiner Stellung bei der Reichskanzlei doch ausschließlich im Kabinett verwendet zu haben; in dessen Status erscheint er im Staatsschematismus erst 1769.