Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

VII. Kurzbiographien der Leiter der Kabinette, der Kabinettsdirektoren und der Sektionschefs - 1. Die Leiter der Kabinette und die Kabinettsdirektoren

359 prinzipiellen Bedenken die von Beck vorgeschlagene Errichtung eines Ernährungsamtes unter Becks Leitung ablehne, es somit nicht an seiner — Becks — Bereitwilligkeit mangle, wenn dieser Plan scheitere 139). Am 18. Dezember 1909, dem zehnten Jahrestage seiner Ernennung zum Kabi­nettsdirektor, gab der Kaiser seiner Zufriedenheit mit Schiessls Dienst­leistung durch seine Erhebung in den Freiherrnstand Ausdruck 14°). Nach dem Tode Kaiser Franz Josephs blieb Schiessl im Amte. Kaiser Karl er­nannte ihn am 25. November 1916 zu seinem Kabinettsdirektor — immer noch die Auffassung von dessen Stellung als einer dem Monarchen per­sönlich dienenden; Schiessl, der vorher täglich Kaiser Franz Joseph meist vor oder nach dem zweiten Frühstück, das um Mittag aufgetragen wurde, Akt nach Akt zur Unterschrift vorlegte, erschien unter dem neuen der Arbeit am Schreibtische abholden Herrscher nur einmal wöchentlich zum Referat141). Kaiser Karl schätzte Schiessl als „verläßlichen, erfahrenen und klugen Chef der Kabinettskanzlei“, doch war er ihm, der die Kur­stadt Baden, in welche er das Armeeoberkommando verlegt hatte, auch zu seinem Wohnort gewählt hatte, „peinlich, wenn ich“, wie er zu Polzer gesagt hat, „den alten Herrn, dem die Fahrt nach Baden doch gewiß nicht unbeschwerlich ist, bitten muß, herauszukommen“142). In Kaiser Karl machte sich wohl vor allem der Wunsch geltend, eine jüngere Kraft zur Seite zu haben. Schiessl kam dem Wunsch des neuen Herren entgegen, als er am 2. Februar 1917 mit Hinweis auf sein hohes Alter und seine mehr als vierzigjährige Dienstzeit um Versetzung in den Ruhestand bat. Der Kaiser willfahrte dieser Bitte mit einem Handschreiben vom 7. Fe­bruar, das Schiessl zugleich vom Amte des Kanzlers vom Goldenen Vlies, das er seit 30. April 1904 innehatte 14S), enthob und ihn als Mitglied auf Lebensdauer in das Herrenhaus berief144). Sein Nachfolger Ritter von Polzer, ein sehr erfahrener Beamter, kleidete den Eindruck, den er von den Einrichtungen der Kabinettskanzlei nach Übernahme des Dienstes ge­wann, Kaiser Karl gegenüber in die Worte: „Diese könnten nicht besser sein, es herrsche eine Ordnung, wie ich sie in dieser Vollendung bisher noch in keinem Amte angetroffen hatte“, und später einmal versicherte er, daß dieses Amt „ausgezeichnet organisiert war und wie eine Präzi­sionsmaschine funktionierte“ 145). Das war Schiessls Verdienst. Am 10. März 1932 ist Schiessl nach langem Leiden kurz vor der Vollendung seines 88. Lebensjahres in Wien gestorben 146). 1SB) J. Chr. Allmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck, Wien 1956, S. 266. ho) Direktionsakt 18/1909. 141) A. Graf Polzer-Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Ka­binettschefs, Amalthea, (1929), S. 92. 142) Polzer-Hoditz, a. a. O., S. 262 f. 443) B 6 s Sep. Bill. Prot. 144) Direktionsakt 4 und ad 4/1917. 145) Polzer-Hoditz, a. a. O., S. 267, 274. ns) Partezettelsammlung.

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