Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

II. Der Monarch und seine Stellvertretung

107 sich die Stelle des Präsidenten eines Ministerrates sichern wolle, um dann selbst zu regieren lu). Der Nachfolger Kaiser Franz I., sein Sohn Kaiser Ferdinand I., war infolge geistiger Minderwertigkeit regierungsunfähig. Obwohl Kaiser Franz über die Regierungsunfähigkeit seines Sohnes im Klaren war, führ­te er geradezu einen Kampf um dessen Nachfolge; er suchte sogar nach Kräften die Errichtung einer vormundschaftlichen Regierung für ihn zu erschweren. Er beabsichtigte, ihn vorzeitig großjährig zu machen und ihn in der bezüglichen Urkunde als zur Selbstherrschaft voll befähigt zu er­klären; der Minister des Auswärtigen verstand dies zu verhindern. Kaiser Franz versuchte nun ein Hausgesetz zu schaffen, das Ferdinands Stellung im Hause sichern sollte, ging aber von dieser Absicht ab, als er erkannte, daß Bestimmungen über vormundschaftliche Regierung in dieses aufge­nommen werden müßten, und begnügte sich mit einem Hausstatut. Er läßt Ferdinand zum jüngeren König von Ungarn krönen und willigt, wenn auch ungern, in seine Vermählung. Er sorgte für politische Erziehung Ferdinands und seines zweiten Sohnes, des Erzherzogs Franz Karl. Den Bestrebungen Metternichs und seines Bruders, des Erzherzogs Carl, für die Regierung Ferdinands vorzusorgen, schenkt er kein Gehör. Er tat dies erst unzureichend in seinem am Totenbett diktierten Testamente. In die­sem Testament rückte er Metternich, in dem er seinen Sohn an den Rat Erzherzog Ludwigs bindet, in zweite Linie. Die Gestaltung der Regierung nach Franzens Tod entsprach weder dem Testament, noch war sie staats- und hausrechtlich klar gestaltet. Das Widerstreben Erzherzog Ludwigs gegen eine Regentenstellung und Kolowrats Forderung nach Anteilnah­me an der Regierung verhinderten dies. Die Errichtung eines Triumvira­tes Erzherzog Ludwig, Metternich, Kolowrat ist das Werk Erzherzog Jo­hanns. Metternich, gestützt von jenen beiden Erzherzogen, wies einen Versuch Erzherzog Carls, in das Triumvirat einzudringen, zurück; er er­kannte die Mängel des Aufbaues dieser Regierung, hatte aber nicht die Kraft, Neues zu gestalten ula). So hat denn Erzherzog Ludwig — formal nie bestellt, — sondern bloß vom Kaiser mit einem vom 4. März 1835 datierten Kabinettsschreiben gebeten, ihm in seinem schweren Be­rufe denselben Beistand zu leisten, den er seinem Vater geweiht habe ui) S. F. v. Reinöhl, Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I., Historische Blätter, Heft 7 (1937), S. 77 f. nia) Aus einer unvollendeten Arbeit des Verfassers, vgl. ferner: F. v. Rein­öhl, a. a. O., S. 77 ff. und F. Walter, Kübeck und die Frage der Einsetzung einer Regentschaft (1840) in Archivar und Historiker, Berlin, 1956, S. 393 ff.; zur Frage der vormundschaftlichen Regierung vgl. ferner J. Ulbrich, Das österr. Staatrecht, Neubearb., Tübingen 1909, S. 78, G. Ferdinandy, übers, v. H. Schil­ler, Staats- und Verwaltungsrecht des Königreiches Ungarn, Hannover 1909, S. 101, F. Eckhart, A habsburg-lotharingiai ház családy Törvénye, (Budapest), o. J., J. Frh. v. Hormayr, Über Minderjährigkeit, Vormundschaft und Groß­jährigkeit im österreichischen Kaiserstaat und Kaiserhaus, Wien, 1808, S. 140.

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