Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

57 tragte dieser, sich nicht mit der bloßen Ernennung Neubergs zum Kabi­nettsdirektor zu bescheiden, sondern ihm die Leitung des Kabinettes zu übertragen, ihm die Verteilung der Geschäfte zu überlassen und ihn für die Arbeit des Kabinettes verantwortlich zu machen. Er schlug weiters eine Neugestaltung der Protokollführung vor und wies darauf hin, wie nötig eine Instruktion für die Kabinettsbeamten sei94). Der Kaiser be­folgte diese Ratschläge nur zum Teil; er führte die von Baldacci bean­tragte Protokollierung, die derart umständlich und zeitraubend war, daß sie nur drei Jahre lang geübt wurde, mit 1. Jänner 1807 ein96) und am 8. Jänner jenes Jahres übertrug er Neuberg „die Direkzion des geheimen Kabinets unter strenger Verantwortung und mit scharfen Ausdrük- ken“ 96). Der Bestand getrennter Wirkungskreise der Beamten nahm bis auf einige wenige, die beibehalten wurden, ein Ende. Der Kabinettsdirek­tor selbst behielt die ausschließliche Besorgung der Polizeiauskünfte bei, die Betrauung eines bestimmten Beamten mit der Führung der Kabinetts­kasse blieb bestehen97). Ebenso wurden die Bittschriften stets von demselben Beamten bearbeitet. Endlich wurde 1808 ein eigenes Referat für den geheimen Dienst d. i. innerpolitische Ausspähung errichtet, das dem zum Kabinettssekretär ernannten k. u. k. Kämmerer Jakob von Sveticz übertragen wurde. Ferner wurden mit der Führung der gehei­men Protokolle bestimmte Beamte betraut. 1807 versuchte Erzherzog Carl seinen kaiserlichen Bruder zu einer Neugestaltung des Kabinettes und der obersten Verwaltung zu bewegen; er dachte an die Errichtung eines nur für die Erledigung umfassender, höherer Gegenstände bestimmten Senates unter der Leitung des Monar­chen, der aus einem Justiz-, einem Finanz- und einem Innenminister, de­ren jedem Staatsräte beizugeben wären, ferner dem Minister des Äußeren und dem Chef der Militärverwaltung zu bestehen hätte. Um dessen Ar­beitsfähigkeit in Abwesenheit des Monarchen zu ermöglichen, schlug er die Ernennung eines Stellvertreters vor, als welchen er Erzherzog Rainer nannte98), der allen Sitzungen beizuwohnen, im Verhinderungsfall den Kaiser zu vertreten und bei länger dauernder Abwesenheit vom Mon­archen zu Entscheidungen zu bevollmächtigen sei. Den Erzherzog leitete bei diesem Antrag die trübe Aussicht auf jene Zeiten, da nach Franzens Tod sein geistesschwacher Erbe den Thron besteigen werde "). Die Aus­fertigung der vom Senat zu entwerfenden Resolutionen wollte Carl ge­schäftskundigen Männern, die als Kabinettssekretäre anzustellen wären, übertragen 10°). Im folgenden Jahre legte Erzherzog Rainer dem Kaiser 94) Memoire 1806, Nachlaß Baldacci, Fasz. 6. 95) S. Kapitel IV, Abschnitt h. 96) Vortrag A. Neubergs 24. 3. 1807, KFA., Fasz. 167, 1—11. 97) StR. ZI. 4537/1817. 98) Über diesen s. Kapitel II. 89) Brief Erzherzog Carls an Kaiser Franz 28. 11. 1807. i") Denkschrift 2. 8. 1807 Erzherzog Rainers ad ZI. 218 in StR. ZI. 4624/1801.

Next

/
Thumbnails
Contents