Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

52 eigentliche Verantwortliche betrachtet werden 72). Bis Ende 1831 hatten sich im Kabinett wieder derart viel Akten angehäuft, daß Franz aber­mals — am 16. März 1832 — eine Kommission zu deren Aufarbeitung ernannte. Diesmal aber stellte er sie unter Kolowrats Vorsitz; ihre Er­ledigungen ergingen in gleicher Weise wie jene der eben genannten Kom­mission. Die Befugnisse der Kommission waren diesmal geringer, denn der Kaiser hatte alle Gegenstände der Gesetzgebung, die Dienstbesetzungen, die hohen Gnadenbezeugungen wie Standeserhöhungen, Indigenats- und Ordensverleihungen, Erteilung von Titeln und Würden, endlich die Be­stätigung oder Abänderung von Todesurteilen seiner Entscheidung Vor­behalten. Kolowrats Macht erfuhr einen weiteren Zuwachs, als der Kai­ser ihn am 4. Mai befugte, die Erledigungen selbst zu unterfertigen, wenn der Thronfolger verhindert wäre 73). Wiederholt wies Kaiser Franz schon mehrfach von Staatsrat, Konferenz und Kabinettsreferenten begutach­tete Geschäftsstücke Kolowrat zur Äußerung zu. Das Kabinettsreferat über Systemalfragen, welches Baldacci geführt hatte, und jenes über Finanzfragen, das zuletzt Kübeck versehen hatte, zog der Graf ganz an sich. Unter Kaiser Ferdinand, in der kaiserlosen Zeit, steigerte sich Kolo­wrats Einfluß auf die Geschäftsführung noch erheblich. Er schied zwar am 12. Dezember 1836 aus dem Staatsrat aus, wurde jedoch zum perma­nenten Mitglied der Staatskonferenz ernannt. Der Staatsrat wurde aber verhalten, ihm alle Gegenstände der hohen Finanzverwaltung und der geheimen Kreditoperationen und die hohen Polizeisachen zur Bearbei­tung zu übersenden74). Die Behandlung der Finanzsachen legte Kolo­wrat am 3. November 1840 zurück. Der Graf, der am 21. März 1848 die Stelle des ersten Ministerpräsidenten Österreichs übernahm, oblag dieser ungeheueren Fülle der Geschäfte, zu deren Bewältigung er innerhalb des Staatsrates ein eigenes Ministerialdepartement und nach seinem Austritt aus diesem ein eigenes Büro besaß, bis zum 4. April 1848 75), an welchem Tag er unter dem Druck der politischen Verhältnisse ins Privatleben zurücktrat76). Einige wenige Kabinettsreferate haben die Neugestaltung der Ver­fassung und der Verwaltung im Jahre 1848 überdauert. Nach Pilgrams Versetzung in den Ruhestand ging das Referat über Angelegenhei­ten der kaiserlichen Familie, des k. k. Hofstaates, der k. k. Fondsherrschaften und der kaiserlichen 72) Sep-Prot. 1829 ZI. 504, 653, 987, B 132 s. vom 27. 1. 1829. 73) Hock-Bidermann, a. a. O. S. 675 f., dessen Ausführungen nach Obigem zu verbessern sind. 74) Handschreiben vom 12. 12. 1836 an Kolowrat B 1221 s in SBP, vgle Wertheimer in Österr. Rundschau, 1907 (X), S. 46, Nr. 53. 75) Uber dieses s. Hock-Bidermann, a. a. O. S. 677. 7«) S. meine Ausführungen über die „Minister Kolowrat-Akten“ im Ge­samtinventar, Bd. 2, S. 239 ff.

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