Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)
I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .
44 entlassen und die Leitung der auswärtigen Geschäfte dem Grafen Stadion übertragen 57). Die Vereinigung der Staatskanzlei mit dem Kabinett und dessen Leitung durch einen Kabinettsminister hatten ihr Ende gefunden, das Kabinett sank wieder in seine frühere Stellung zurück. An seiner Spitze standen fortan die Kabinettsdirektoren, als erster der verdiente Andreas Neuberg, dem nach seinem Tod ein von der vereinigten Hofkanzlei einberufener Beamter, der Hofrat Anton Martin, ernannt 14. Jänner 1822, folgte. Nach ihm hatte vom 17. März 1839 Josef Paschinger, der seit achtzehn Jahren im Kabinett diente, diese Stelle bis zu seinem Tod inne. Ihn ersetzte am 23. August 1843 der an drei Jahrzehnte im Kabinett dienende Anton Zebay58). Der Staatsrat behielt unter Kaiser Franz II. zunächst seine bisherige Stellung bei. Eine Instruktion, welche diesem am 17. Oktober 1792 gegeben wurde, wies ihm ausdrücklich neben den deutscherbländischen Angelegenheiten auch jene der ungarischen Erblande — die er vielfach auch bisher schon behandelt hatte —- zu und erweiterte seinen Wirkungskreis durch alle Gegenstände des Finanzwesens 59). Eine abermalige, erhebliche Erweiterung des Wirkungskreises brachte ein Handschreiben, welches der Kaiser am 12. Juni 1796 auf Eindringen des wenige Wochen vorher zum dirigierenden Staatsminister ernannten Grafen Leopold Kolowrat erließ. Es überwies dem Staatsrat von den Geschäften des Hofkriegsrates jene, welche das Comissariaticum, das ökonomicum, die Armeeverpflegung, die Rekrutierung und das Justizwesen betrafen, und von den Geschäften der Staatskanzlei jene, welche nicht bloß auswärtige Angelegenheiten, sondern auch die Erbländer selbst betrafen 60). Am 31. August 1801 löste der Kaiser den Staatsrat auf und ließ an seine Stelle mit gleichem Tage ein Staats- und Konferenzministerium als „letzten und obersten Zentralleitpunkt“ treten. Dieses Ministerium zerfiel in drei Departements, in je eines der auswärtigen Geschäfte, der inneren Staatsverwaltung und des Kriegs- und Marinewesens. Die Leitung jedes Departements führte ein Staats- und Konferenzminister: das erstgenannte der jeweilige Leiter der Staatskanzlei d. i. zunächst Trauttmansdorf, dann Cobenzl unter der Oberleitung Colloredos, endlich Stadion, das zweite Graf Kolowrat, das dritte Erzherzog Carl. Um den Anschein zu vermeiden, daß dieses Ministerium eine Mittelbehörde zwischen den Hofstellen und dem Monarchen sei, der Monarch sich somit nicht der nach der Verfassung der einzelnen Kaiser machten, und die Schlacht bei Austerlitz den Anstoß gaben, ist aus zeitlichen Gründen unmöglich. 57) Handschreiben an Cobenzl, genehmigtes Abschiedsgesuch Cobenzls, Handschreiben an Stadion 24. 12. 1805, StK., Vorträge, Fasz. 253. 58) Siehe deren Biographien in Kapitel VII. 5») Hock-Bidermann, a. a. O., S. 643 ff. «») Ebenda, S. 647.