Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

43 krieges führte Colloredos und Cobenzls Sturz herbei. Colloredos Stellung war schon Monate vorher erschüttert. Im September 1805 klagte er dar­über, daß ihn der Kaiser seit längerer Zeit zur Seite schiebe, daß ihm mehrfach Gegenstände erst durch die ihm aufgetragene Revision der Rein­schriften der kaiserlichen Willensäußerungen zur Kenntnis kämen, ja er hegte sogar die Vermutung, daß so Manches aus dem Kabinett auslaufe, ohne daß er hievon wisse60). Es hatte ihn weiters sehr verstimmt, daß der Kaiser seine Bitte abgeschlagen hatte, ihn auf seiner Reise zur Armee in Bayern und Schwaben begleiten zu dürfen. Als der Kaiser dann im September dorthin abging, forderte Colloredo nichts weniger als die Be­stellung zum Stellvertreter des Monarchen; er scheint befürchtet zu ha­ben, daß ein anderer Minister mit dieser Stellvertretung betraut werde, und war willens, wenn dies geschähe, seinen Abschied zu nehmen51). Franz wies die Forderung Colloredos angeblich mit den Worten, daß er keineswegs ein Kaunitz sei, zwar ab 52), bestellte jedoch für die Zeit seiner Abwesenheit überhaupt keinen Stellvertreter. Wohl aber trug er Collo­redo „die Besorgung der ganzen Geschäftsverwaltung“ auf, das heißt die Geschäfte so wie in Anwesenheit des Kaisers fortzuführen, nötigenfalls in Konferenzen unter seinem Vorsitz zu verhandeln, ihm die Akten nach­zusenden und die Befehle des Kaisers den Präsidenten und Chefs der Zentralstellen zu übermitteln 53). Was den Kaiser letzten Endes bewogen hat, Colloredo am 15. November zu verabschieden — erst am 30. Dezem­ber wurde die Entlassung förmlich vollzogen54) — ob es Erwägungen allgemeiner Natur waren, ob etwa tatsächlich eine dahingehenden Ein­wirkung des Zaren Alexander erfolgt war 55), oder ein Übergriff Collo­redos, der sich darüber erregte, daß der Kaiser ohne ihn zugezogen zu haben mit Cobenzl und dem Staatskanzleirat Collenbach beriet, den letz­ten Anstoß gab5B), ist fraglich. Am 24. Dezember wurde auch Cobenzl 50) Vortrag Colloredos Sept. 1805, eh. Konzept und nicht abgegangene Rein­schrift KFA., Fasz. 78 b, F. Walter, a. a. O., S. 25, Nr. 7. 51) KFA., Fasz. 78 b und Entwurf eines bezüglichen Handschreibens an Col­loredo ebenda, F. Walter, a. a. O., S. 28 ff., Nr. 8. 52) Tagebuch Zinzendorfs 1. 1. 1806. Über Kaunitz’ Stellvertretung s. Ka­pitel II. 63) F. Walter, a. a. O., S. 28 ff., Nr. 8. 63) Gentz an Jackson 16. 11. 1805, Weil, a. a. O., S. 106, 268. Kaiser an Palatin 15. 11. 1805 Brünn, KFA., Fasz. 218, Nr. 213, Berichte Finkensteins, Wertheimer, a. a. O., Bd. 1, S. 367, Handschreiben 30. 12. 1805 an Starhemberg, OMeA. ZI. 11-12-90. Es ist somit nicht ein Brief Erzherzog Karls vom 22. Dezember 1805 das auslösende Moment gewesen, wie H. Rössler, Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung, Hamburg 1940, Bd. 1, S. 147 u. 150 annimmt; wohl aber wird die von Rössler angeführte wiederholte Stellungsnahme des Erzherzogs gegen Colloredo den Kaiser in seinem Entschluß beeinflußt haben. 66) Vermutung des preußischen Gesandten Graf Finkenstein, Wertheimer, a. a. O., Bd. 1, S. 367. 58) Tagebuch Zinzendorfs 2. 3. 1806. Wertheimers Anschauung, a. a. O., daß Vorstellungen, die Erzherzog Josef und Erzherzog Karl im Dezember dem

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