Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

42 terzeichneten die zur Vorlage an den Kaiser bestimmten Vorträge. Cobenzl kehrte im Juli 1801 von Paris, wohin er sich wegen der Ausführung des Lunéviller Vertrages begeben hatte, nach Wien zurück. Er scheint zu­nächst versucht zu haben, seine Stellung als Vizestaatskanzler von der Oberleitung des Kabinettsministers unabhängig zu gestalten, und dürfte bei diesem auf keinen Widerstand gestoßen sein, denn in einem sehr scharfen Handschreiben befahl der Kaiser Colloredo am 18. September, da die Staatskanzlei mit dem Kabinett vereint sei, sich der auswärtigen Ge­schäfte anzunehmen. Er befahl weiters, daß alle wichtigeren Geschäfte vom Kabinettsminister und Vizestaatskanzler zu behandeln und vor ihrer Erledigung der allerhöchsten Genehmigung zu unterbreiten wären, und ordnete an, daß ihm besonders alle Expeditionen an die Höfe von St. Pe­tersburg, London, Berlin und Paris vor ihrer Erlassung vorzulegen seien. Cobenzl habe alle kurrenten Sachen zu besorgen, zu unterfertigen und zu expedieren, auch mit den fremden Ministern zu verhandeln, jedoch Colloredo von allem zu unterrichten. Die Hauptexpeditionen, Memoires und Traktate habe Colloredo mit zu unterzeichnen. Die Berichte der aus­wärtigen Vertreter seien unter der Anschrift Colloredos einzusenden und von diesem dem Vizekanzler zuzustellen. Zugleich unterstellte der Kaiser wie die Staatskanzlei als Behörde, so auch deren Personal Colloredo 48 49). Die Durchführung dieser Anordnungen zu schildern, fällt in den Rahmen einer Geschichte der Staatskanzlei. Hier sei nur erwähnt, was in den Be­reich einer Geschichte der Kabinettskanzlei fällt. Die auswärtigen Ver­treter wurden angewiesen, ihre Berichte an den Kabinettsminister zu adressieren und am Umschlag unter dessen Adresse das Wort „Staatskanz­lei“ zu setzen. Hiemit wurde einer unnötigen Belastung des Kabinetts vorgebeugt, denn diese Berichte wurden dem Staatsvizekanzler einge­händigt, von ihm eröffnet und nur jene, deren Vorlage an den Kaiser oder den Kabinettsminister erforderlich war, diesem zugesandt. Alle an die Vertretungen in St. Petersburg, London, Berlin und Paris ergehen­den Weisungen, ebenso die Vorträge an den Kaiser unterfertigten Collo­redo und Cobenzl gemeinsam, die Weisungen an die übrigen Vertretun­gen Cobenzl allein. Beide Unterzeichneten ferner die an fremde Vertre­tungen ergehenden Schriftstücke “). Der Kaiser hatte hiemit die Leitung der auswärtigen Politik selbst straff in die Hand genommen, ein Zustand, der bis zu Metternichs Ernennung zum Leiter der auswärtigen Geschäfte andauerte und von Kaiser Franz Joseph nach dem Tode Schwarzenbergs wieder hergestellt wurde. Colloredo hat neben dem Kaiser und Cobenzl nur eine Schattenrolle auf diesem Gebiete gespielt. Die Vereinigung der Staatskanzlei mit dem Kabinett sollte keinen langen Bestand haben. Der unglückliche Verlauf des dritten Koalitions­48) Fournier, a. a. O., S. 28, Anm. 3, F. Walter, a. a. O., S. 14, Nr. 4. 49) Vortrag 4. 10. 1801, 28. 1. 1802, StK., Vorträge, Fasz. 243, Interiora, Orga­nisation, Fasz. 1, Kab. Prot. ZI. 58.

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