Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

40 Staatskanzlei mit dem Kabinett ausgesprochen; er scheint diese erst nach einer Unterredung, die er am 28. mit Lehrbach hatte, aufgegeben zu haben 40). So wurden denn am selben Tage die nötigen kaiserlichen Hand­schreiben ausgefertigt. Sie lagen — mit Ausnahme des an Colloredo ge­richteten — versehen mit der kaiserlichen Unterschrift bereit zur Beför­derung 41), als Colloredo ein Schreiben Thuguts erhielt, in welchem dieser politische Erwägungen vorschützend sich gegen die Ernennung Lehrbachs aussprach42 43). Unschlüssig befahl der Kaiser die Handschreiben nicht zu befördern. Da kam Thugut eine Vorsprache des englischen Gesandten und bevollmächtigten Ministers Minto zu Paß, der in erregt verlaufender Audienz namens des englischen Hofes die Entfernung Lehrbachs von den Geschäften forderte4S). Franz wies dieses Ansinnen wohl zurück, ent­schloß sich aber dann doch, wohl unter dem Einfluß Thuguts, von der Ernennung Lehrbachs abzusehen, ja ihn zunächst in auswärtigen Ge­schäften überhaupt nicht zu verwenden. Am 2. Oktober ließ er durch Colloredo die Leitung der Staatskanzlei dem Grafen Ludwig Cobenzl antragen. Auffällig ist, daß die von Lehrbach geforderte Bedingung, die Staatskanzlei dem Kabinett zu verbinden, als Grundlage der Verhand­lungen mit Cobenzl beibehalten wurde. Man wird nicht mit Unrecht an­nehmen dürfen, daß Thugut, dessen Einfluß auf den Kabinettsminister stets groß war, hiebei die Hand im Spiele hatte. Es war ihm gelungen Lehrbach auszuschalten und es wird ihm nunmehr gelingen, einige Zeit wenigstens durch diese Verbindung Dank seines guten Verhältnisses zu Colloredo und Dank dessen Unfähigkeit, die auswärtige Politik zu lei­ten, an der Macht zu bleiben. Cobenzl übernahm die ihm angebotene Stellung. Am 5. Oktober übertrug der Kaiser ihm mit dem Titel eines Konferenzministers und Vizestaatskanzlers die Leitung der auswärtigen Geschäfte und der Staatskanzlei“ in Verbindung mit meinem Cabinete und besonders mit bestem Einvernehmen und Einverständnis mit meinem Cabinets- und Conferenzminister“ ad interim 44). Nun aber ereignete sich etwas Sonderliches: Cobenzl wurde bald nach seiner Ernennung zu den Friedensverhandlungen nach Luneville entsandt, sodaß sich folgende La­40) Über die Vorgänge vom 26. 9. bis 5. 10. siehe die Aufzeichnungen Collo- redos, KFA., Fasz. 78 b. 41) Orr. der Handschreiben, u. zw. an Colloredo (nicht unterfertigt) an Thugut, Lehrbach, Starhemberg (unterfertigt), in StK., Vorträge, Fasz. 239, ge­druckt Vivenot, Vertrauliche Briefe Thuguts, Bd. 2, S. 465, s. ferner Bill. Prot. 1800, Nr. 385 an Thugut, 386 an Lehrbach, 387 und 388 an Starhemberg, alle Handschreiben mit dem Vermerk „nicht erlassen“. Das Handschreiben an Collo­redo ist nicht eingetragen. «) Vivenot, a. a. O., S. 290, Nr. MCXVII. 43) Das von Minto überreichte, in Colloredos Aufzeichnungen erwähnte Me­moire ist unauffindbar. 44) Handschreiben, Vivenot, a. a. O., Bd. 2, S. 294; vgl. auch Handschreiben an Colloredo, 6. 10. 1800, B 403, Bill. Prot.

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