Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)
I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .
39 hofmeister, dem Feldmarschall Lacy und dem Oberstkämmerer rangierte 3ä). Welch besondere Vertrauensstellung Colloredo bei Kaiser Franz genoß, wurde schon erwähnt; bis in die letzte Zeit seines Wirkens blieb das Gewicht seines Rates groß, so groß, daß der Oberstkämmerer Fürst Rosenberg ihn scherzhaft „Franz den Ersten“ nannte86). Die Meinung jedoch, daß er „gewöhnlich die letzte Entscheidung gab“ 35 36 37), geht zu weit: der Einfluß Philipp Cobenzls, Thuguts, Ludwig Cobenzls und jener Erzherzogs Carl haben dem Colloredos die Wage gehalten und die Meinung Champagnys, daß der Kaiser nicht völlig mit dem Kabinettsminister übereinstimme, von ihm nicht ganz beherrscht werde, dürfte das Richtige treffen33). Diese Äußerung Champagnys entstammt einer Zeit, da die Stellung des Kabinettes und somit auch seines Leiters seit Jahren eine beträchtliche Erhöhung erfahren hatte. Am 20. September 1800 hatte Kaiser Franz auf Rat des in der Staatskanzlei Dienst tuenden Gesandten Ludwig Konrad Grafen Lehrbach ohne Wissen des Außenministers Franz Freiherrn von Thugut den Waffenstillstand von Parsdorf unterzeichnen lassen. Thugut, dessen Stellung schon längst durch jene Partei, die sich um Erzherzog Carl scharte und die öffentliche Meinung für sich hatte, erschüttert war, gab daraufhin in einer Besprechung, die der Kaiser am 25. September mit Erzherzog Ferdinand, Thugut, Lehrbach und Colloredo abhielt, seine Demission 38). Alle Versuche, Thugut davon abzubringen, mißlangen, sodaß der Kaiser den Rücktritt „etwas unwillig und aufgebracht“ genehmigte. Als Colloredo Thugut befragte, wen er als seinen Nachfolger vorschlage, nannte dieser offenbar in Unmut Lehrbach, welcher sich bereit erklärte, die Stelle anzunehmen, jedoch bat, daß die Staatskanzlei mit dem Kabinett verbunden werde. Diese Verbindung stellte er sich so vor, daß alle wichtigen Angelegenheiten von ihm mit Colloredo beraten und Vorträge an den Kaiser nur gemeinsam erstattet würden. Der Kaiser hatte zwar in jener Unterredung Lehrbach gebeten, die Stelle anzunehmen, traf jedoch keine Entscheidung39). Erst am nächsten Tage ließ er Lehrbach wissen, daß er ihn ernennen wolle. Lehrbach erklärte abermals, daß er die Leitung der auswärtigen Geschäfte zu übernehmen bereit sei, beharrte aber auf der gestellten Bedingung. Colloredo hatte schon in der Besprechung vom 25. Bedenken gegen die Vereinigung der 35) Über die Stellung der Konferenzminister s. Beidtel-Huber, Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 2, S. 16, über die Rangierung die Konferenzprotokolle bei Vivenot, Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik, Bd. 2, S. 12, 132, 181, 377, 464. 36) an Talleyrand s. Anm. 33, s. auch Criste, Erzherzog Carl, Bd. 1, S. 54, 128. 37) Wertheimer a. a. O. Bd. 1, S. 20. 38) Wertheimer, a. a. O., Bd. 1, S. 71, Fournier, Gentz und Cobenzl, S. 11, Gentz an Pitt Okt. 1804, MIÖG., Bd. 23, S. 471. 39) „Protokoll einer Zusammentretung“ von der Hand Colloredos 25. 9. 1800, KFA., Fasz. 78 b, s. auch Vortrag Colloredos 28. 9. und s. d. [25.—28.9.] ebenda.