Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 4. Die Vereinigung des Kabinetts Josephs II. mit jenem Maria Theresias und die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1780 bis 1918 .

38 sein Obersthofmeister und ehemaliger Erzieher Franz de Paula Graf Colloredo-Walsee, der in nahezu zwanzigjähriger Dienst­leistung nicht nur das Vertrauen, sondern auch die Freundschaft des Kai­sers gewonnen hatte, durch den Regierungswechsel seiner Stellung ver­lustig geworden war; er wollte Colloredo „am meisten und am nächsten“ mit sich verbinden und ihm ein „öffentliches Zeichen“ seiner Freund­schaft geben30). Der Obersthofmeister Fürst Starhemberg dürfte den Kaiser stark in diesem Sinne beeinflußt haben. Colloredo will, als ihm der Kaiser am 3. März 1792 seine Absicht eröffnete, vorgestellt haben, daß ihm die erforderlichen Kenntnisse fehlen, er daher nie die er­warteten Dienste leisten könne und daß ein alter Diener nie gut bei einem jungen Herrn dienen könne, schließlich sich aber dem Befehl des Kaisers gebeugt haben31). Am selben Tage erging das Handschreiben, mit welchem die Ernennung Colloredos zum Kabinetts- und Konferenz­minister durchgeführt wurde32). Colloredo genoß das Ansehen eines rechtschaffenen, aufrechten Mannes mit besten höfischen Formen, der seinem Herrscher aufrichtig ergeben war; seine Begabung aber erreichte höchstens das Mittelmaß; Herrschsucht paarte sich bei ihm mit wider­standslosem Gehorsam, weitgehendem Mißtrauen und eifersüchtigen Re­gungen 33). Der Wirkungskreis Colloredos war nicht umschrieben wor­den; es lag daher zum guten Teil in seiner Hand diesen auszubauen. Als Leiter des kaiserlichen Kabinetts hatte er zwar keinerlei Entscheidungs­recht, er konnte aber, da alle ein- und auslaufenden Schriftstücke durch seine Hand gingen, die kaiserliche Willensbildung maßgebend beeinflus­sen und hat es auch getan. Es ist möglich, daß lediglich die auswärtigen Geschäfte zunächst der Einwirkung Colloredos im Kabinett entzogen blie­ben 34). Diese zu beeinflussen, hatte er aber als Konferenzminister die Möglichkeit. Als solcher wurde er den fallweise vom Monarchen zur Be­ratung wichtiger innerer und auswärtiger Angelegenheiten einberufe- nen Konferenzen zugezogen, in welchen er als Vierter nach dem Oberst­s») Handschreiben an Colloredo 3. 3., Wolfsgruber, Franz I., Bd. 2, S. 226; siehe hiefür und für das Folgende auch die Aufzeichnungen Colloredos KFA., Fasz. 78 b, im Auszug bei Wolfsgruber, a. a. O. S. 225 ff. 81) Colloredo an Kaiser Franz 18. 9. 1794, Konzept KFA., Fasz. 78 b. 82) Handschreiben an Colloredo s. Anm. 30, Intimation des Obersthofmei­steramtes an die Hofkammer 3. 3., F. Walter, Zentralverwaltung, II. Abt., 5. Bd., S. 6, Nr. 2, Handschreiben an Rosenberg 4. 3. OKA. ZI. 40. 33) Relation Dolfins 21. 3. 1793 FRA., Bd. 22, S. 351, Tagebuch Zinzendorfs 4. 3. 1792, 30. 12. 1805, Champagny an Talleyrand 5. 6. 1804, Weil, D’Ulm ä Jena, S. 165, 229 ff., 268, s. auch die von Wertheimer, Geschichte Österreich- Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, Bd. I, S. 19 Nr. 3, 20 beige­brachten Quellen, Gentz an Pitt Okt. 1804, ders. an Jackson 16. 11., 28. 12. 1805, MIÖG., Bd. 23, S. 471. 34) Diese Frage wäre nur durch eingehende Beschäftigung mit der aus­wärtigen Politik dieser Zeit zu klären, was nicht Aufgabe dieser Arbeit sein kann.

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