Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 2. Die Kabinette Maria Theresias

24 tige Politik der Monarchie bestimmende Stellung zu geben. Joseph II. unterbreitete für den Fall, daß die Kaiserin diesen Vorschlag nicht geneh­mige, zugleich einen zweiten, der sich aber lediglich auf eine Ände­rung der Geschäftsordnung des Staatsrates beschränkte 73). Dieses Streben Josephs, Kaunitz auf dem Gebiet der Außenpolitik in die zweite Linie zu drängen, trug wesentlich zu dem persönlichen Zwist des Kaisers mit Kaunitz bei, der im Entlassungsgesuch Kaunitzens vom 7. Dezember und der zwei Tage später erfolgten Bitte Josephs um Enthebung von der Mitregentschaft seinen Höhepunkt fand 74). Maria Theresia, in der dieser Zwist eigene Rücktrittspläne wach werden ließ, gelang es ihn zu über­brücken. Am 20. Februar des folgenden Jahres legte Kaunitz der Kaiserin eine Denkschrift vor, in der er sich über die Vorschläge des Kaisers aus­sprach 75). Hinsichtlich des vom Kaiser vorgeschlagenen Kabinetts in in­ländischen Angelegenheiten bemerkte Kaunitz, daß zwischen diesem Ka­binett und einem verbesserten Staatsrat kein beträchtlicher Unterschied sei; es sei gleichgültig, ob diese Körperschaft den Namen eines Staats­rates oder eines dirigierenden Kabinettes führe, wesentlich sei, daß ihre Arbeitsweise derart verbessert würde, daß sie bloß als vertrauter und wohlunterrichteter Rat dienen könne, somit nicht mit untergeordneten Angelegenheiten beschwert werde und daß die „Kabinets-Kanzley“ der Kaiserin, unter welchem Begriff er beide Kabinette Maria Theresias zu­sammenfaßte, mit diesem Staatsrat oder Kabinett verschmolzen werde; Nenny und Püchler wären zu Mitgliedern dieser Körperschaft zu machen. Die Kanzlei des Staatsrates wäre mit allen jenen Aufgaben zu betrauen, die der Kaiser einem dirigierenden Kabinett zugedacht habe, jedoch mit Ausnahme der sachlichen Bearbeitung, d. h. „mit Registrir-Verwahr- und Expedirung aller inländischen Schriften und Anliegenheiten“; sie wäre so in ein „dirigirendes Kabinet“ zu verwandeln, mit welchem die Kabinet­te der Kaiserin und jenes des Kaisers — Joseph besaß nämlich, wie noch’ dargetan werden wird, ein eigenes Kabinett 76) — zu vereinigen wären. Die Errichtung eines geheimen Kabinetts für die ausländischen Geschäfte lehnte Kaunitz ab. Er verwies darauf, daß wenige Souveräne so genaue Kenntnis der Geschäfte ihrer außenpolitischen Stelle besäßen wie die Kaiserin, daß die Staatskanzlei auf das allerbeste geleitet sei, er somit den Zweck eines solchen Kabinetts nicht sehen könne, es sei denn, daß 73) Fellner-Kretschmayr-Walter, Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 3, S. 61 ff. 74) Arneth, Maria Theresia, Bd. 8, S. 493 f., Bd. 9, S. 311 ff., Karajan, Maria Theresia und Joseph II. in Die feierliche Sitzung der k. Akademie der Wissen­schaften, Wien 1865. 75j Staatskanzlei, Vorträge Fasz. 172. Kaunitz verwendet den Begriff „diri­gierendes Kabinett“ hier in wechselnder Bedeutung; die Behauptung Arneths, Maria Theresia, Bd. 9, S. 319, daß Kaunitz des Staatsrates und seiner Reorgani­sierung mit fast keinem Worte gedacht hätte, trifft nicht zu. 90 von 113 Blatt des Vortrages beschäftigen sich mit dieser Frage. 76) Hierüber s. Abschnitt 3 dieses Kapitels.

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