Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)
I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 2. Die Kabinette Maria Theresias
23 ter vor, ihn mit der Überprüfung und der Vorlage der Resolutionsentwürfe an sie zu betrauen 69). Tagsdarauf genehmigte Maria Theresia den Antrag70). Im November dieses Jahres drängte Joseph darauf, daß Maria Theresia einen Minister bestelle, der „unter Euer Majestät Augen und Befehlen den Staatsrath, die Chefs und Ministres, Hofstellen und durch selbe also die Länder in allen Theilen dirigire“. Der Erfolg dieses Schrittes, ein Teilerfolg nur, zeigte sich in der Bestellung des Grafen Hatzfeld zum ersten Staatsminister mit dem Amte eines „ministre en chef“ des Staatsrates71). Am 27. April 1773, ungefähr zur selben Zeit, da auch Kaunitz mit Verbesserungsvorschlägen für den Staatsrat hervortrat, überreichte Kaiser Joseph seiner Mutter eine umfangreiche Denkschrift über eine Neugestaltung dieses Rates 72). Der Grundgedanke seiner Vorschläge war, daß die Kaiserin sachlicher Vorbehandlung all jener Geschäftsstücke bedürfe, über welche sie Entschließungen zu fassen habe, diese Entschließungen aber nur dann vollwertig und untadelig sein könnten, wenn eine Übersicht über alle Geschäfte gewährleistet sei. Dem könne nur ein Kabinett gerecht werden, welches in zwei Teile zu zerfallen hätte, in einen für die inländischen und einen für die ausländischen Geschäfte. Um dies zu erreichen wäre dem Staatsrat die Form eines Kabinetts für die inneren Angelegenheiten zu geben. Für die ausländischen Geschäfte wäre ein neues Kabinett zu errichten, dem auch die sachliche Bearbeitung der Vorträge des Staatskanzlers sowie eine Überprüfung jener Weisungen des Staatskanzlers an die auswärtigen Vertreter, welche schon bisher der kaiserlichen Genehmigung bedurften, d. i. aller von grundlegender Bedeutung, einzuräumen wäre. Auch die Bearbeitung der Vorträge des niederländischen und des italienischen Departements der Staatskanzlei wollte Joseph diesem Kabinett zuweisen. Er beantragte es mit den beiden Kabinettssekretären Nenny und Püchler, etwa mit noch einem dritten, und dem ihnen untergeordneten Personal zu besetzen. Diese hätten auch fernerhin der Kaiserin zur Erledigung ihrer privaten Schreibgeschäfte zu dienen. Beide Kabinette wollte er der Leitung eines Kabinettsdirektors unterstellen, als welchen er in erster Linie sich selbst, in zweiter einen von Maria Theresia zu ernennenden Minister vorschlug. An der Selbständigkeit der Ziffernkanzlei und deren Leitung durch einen Kabinettssekretär wollte er fest halten. Aus der Denkschrift Josephs sprach das Ziel, sich als Mitregenten eine überragende, auch die auswär69) Nota die hinführige sichere Einrichtung in staatsräthlichen Circulandis, StR., Präs. Fase. I. 70) Handschreiben an Pergen, Sammelband 15, fol. 130 ff., vgl. Joseph an Leopold 18. 4., Arneth, Maria Theresia und Joseph, Bd. 1, S. 335. 71) Fellner-Kretschmayr-Walter, Zentralverwaltung, Abt. II, Bd. 3, S. 42 n. 46. 72) Ebenda 53 ff., vgl. auch Joseph an Leopold 22. 4. 1773, Arneth, Maria Theresia und Joseph, Bd. 2, S. 7.