Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 2. Die Kabinette Maria Theresias

21 seiner Leitung so ausgezeichnet, daß Kaunitz 1774 darauf verweisen konn­te, daß er die Berichte der diplomatischen Vertreter im Ausland über Absichten und Pläne der Regierungen wenig benötige, weil er durch die Interzepte weit vollständiger und zuverlässiger unterrichtet werde, da die fremden Vertreter in Wien auf diesem Wege „eigentlich und ohne es zu wissen mit für uns Spionen oder geschickte und nützliche Beurthei- ler abgeben“. Püchler hatte, um leichter die Arbeit des Ziffernkabinetts leiten zu können, das Recht von der Staatskanzlei alle Schriften, derer er bedurfte, zu verlangen und solange als nötig bei sich zu behalten57). Am 26. Dezember 1775 erlitt Nenny im Theater einen Schlaganfall. Der geheime Kabinettskanzlist Royss scheint ihn vertreten zu haben58), bis ihn am 6. Jänner der Tod erlöste. Maria Theresia entschloß sich nun­mehr Nenny nicht zu ersetzen, sondern beide Kabinette unter Püchler zu vereinigen und ihm in Johann Georg Zephyris zu Kreut einen Gehilfen beizugeben 59). Zephyris, der zu dieser Zeit Sekretär des Generalgouverneurs der Lombardei, Erzherzogs Ferdinand, war, traf am 24. März in Wien ein und wurde zwei Tage später zum Hofrat und ge­heimen Sekretär ernannt60). Zephyris hatte innerhalb des Kabinetts eine besondere Aufgabe zu erfüllen; er führte die Korrespondenz mit den jüngeren Kinder der Kaiserin61). Von dem Personal, das unter Nenny gedient hatte, ist für die Zeit der Kabinettsleitung Püchlers nur mehr Pistrich bezeugt. Seit 1. Juli 1776 ist „bey Herrn v. Pistrich in dem Cabinets Prothokoll“ Josef Leopold Seitzer beschäftigt62). Ins­gesamt standen 1779 neben Püchler und Zephyris zwölf Personen im Dienste des Kabinetts63). Es wäre verfehlt sich all diese Kabinette als wohl eingerichtete Geschäftsstellen vorzustellen. Kaiser Joseph bemerkte 1773, daß „anjezo das einzige Centrum, wo alles aus der Monarchie zu- sammenfliesst, Euer Majestät allerhöchste Person ist, welche auf eine mir und allen Leuten unbegreifliche Art, ohne Hilfe, ja nicht einmal eines materialistischen Arbeiters, ohne Vormerkung, ohne mindeste Canzley- ordnung, durch eine beständig und beschwersame Arbeit und durch ihr 57) Denkschrift Kaunitz’s. Anm. 75, dort weitere Mitteilungen über die Ge­barung der Ziffernkanzlei. 58) Royss teilte 5. 1. Brukenthal mit, daß sein Chef Nenny erkrankt sei und ersucht ihn „Hochdero fernere Schreiben Ihrer Majestät ebenfalls überrei­chen zu dürfen“. A. a. O., S. 123. 59) Maria Theresia an Erzh. Maria Christine und an Erzh. Ferdinand 18. 1. 1776, Arneth, Maria Theresia an Kinder und Freunde, Bd. 2, S. 4 n. 389. 60) Ebenda, Bd. 3, S. 224, OMeA., Hofparteiprotokoll fol. 242. 6)) Maria Theresia an Erzh. Ferdinand 20. 11. 1776 und an Erzh. Maria Bea­trix 25. 10. 1780, Arneth, Maria Theresia an Kinder und Freunde, Bd. 2, S. 54, Bd. 3, S. 439. 62) Geh. Kammerzahlamtsbuch 1778/82, fol. 57, Nr. 369. e3) Tagebuch Zinzendorfs 10. 8. 1779: „Zephyris fut ehez moi... lui n’a aucun subalterne, Pichler a un bureau de douze personne“.

Next

/
Thumbnails
Contents