Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 2. Die Kabinette Maria Theresias

14 Der venetianische Gesandte Capello mag mit seiner Behauptung, daß Maria Theresia eines außer dem Kreise der obersten Staatsbeamten stehenden Mannes bedurfte, mit dem sie sich über alles beraten könne, das Richtige getroffen haben 9). Noch standen die großen Mitarbeiter Ma­ria Theresias wie Haugwitz, Kaunitz nicht an ihrer Seite. Hochbetagt oder minder fähig waren die Berater, über die sie in der Anfangszeit ihrer Regierung verfügte, und unter ihnen war keiner, dem sie uneingeschränk­tes Vertrauen schenkte. Ihre Wahl war auf den Hofkriegsrat von Koch gefallen, einen rechts- und staatswissenschaftlich gebildeten Mann, der auf eine mehr als zwanzigjährige Dienstleistung in Verwaltung, Außen­dienst und Heer zurückblicken konnte, der überdies dem Prinzen Eugen sechzehn Jahre als geheimer Sekretär in politischen Angelegenheiten ge­dient hatte. Wichtige politische Verhandlungen, mit denen er 1741 betraut worden war, darunter auch solche in Angelegenheit der Maria Theresia am Herzen gelegenen Kaiserwahl, mögen ihn, der sich hiebei bewährt hatte, Maria Theresia empfohlen haben 10). Der preußische Gesandte Graf Podewils wollte wissen, daß die Wahl der Kaiserin durch die Gegner des Staatssekretärs Johann Christoph Freiherrn von Bartenstein auf Koch gelenkt worden sei, um jenes Einfluß zurückzudrängenn). Maria The­resia hat selbst in der einen ihrer berühmten Denkschriften den Wirkungs­kreis Kochs gekennzeichnet; sie habe „die Militaria- und Cantzley-Agen- da, auch Länder-Sachen von Ihme extrahiren und mir referiren, nicht minder darauf die Resolutiones zu meiner Einsicht und Approbation ent- werffen lassen. In Staats-Sachen [d. h. in außenpolitischen Angelegen­heiten] habe selbten niemahlen gebrauchet, dann hierinnen allein Bar­tenstein gefolget: Aber in allen anderen, besonders in meinen eigenen particular-Anliegenheiten, Verdruss und Sorgen, mich seines Raths be­dienet und dabey mich allezeit wohlbefunden“ 12). Auf diese Äußerungen Maria Theresias, die übrigens durch Mitteilungen dritter Personen be­stätigt werden 13), muß gegriffen werden, da der erhaltene Teil der Regi­stratur Kochs nicht hinreicht, ein Urteil über den ganzen Umfang seiner Tätigkeit zu gewinnen. Es sei nur noch ergänzend bemerkt, daß alle Vor­») Relation 30. 9. 1744, FRA., Bd. 22, S. 281. I0) A. v. Arneth, Maria Theresia, Bd. 1, S. 329, 335, 338, Felgel in ADB, Bd. 16, S. 384 ff., zur Kaiserwahl vgl. F. Reinöhl, Die Übertragung der Mit­regentschaft durch Maria Theresia an Großherzog Franz Stephan von Lothringen und Kaiser Joseph II., MIÖG., Ergbd. 11, S. 650—661. u) Bericht 19. 8. 1747 SBWA., Bd. 5, S. 524. In der Tat scheint Kochs Ver­hältnis zu Bartenstein trüb gewesen zu sein, Keith an Herzog von Neufchatel 10. 4. 1740, Coxe, Geschichte Österreichs, Bd. 4, S. 207. 12) Österreichisches Archiv Bd. 47, S. 307. 13) Bericht Podewils s. Anm. 11, Tagebuch des Grafen Karl Zinzendorf auf Grund eines Gespräches mit Zephyris 10. 8. 1779: „Du tems de Koch tous les raports des dicasteres alloient au cabinet, depuis le Staatsrat ce n’est plus la mérne chose.“ Relation Capellos s. Anm. 9.

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