Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Zur Geschichte des Archivalienschutzes

Zur Geschichte des Archivalienschutzes 61 Besondere Vorkehrungen erforderte der Schutz der Archivalien von Staat, Ländern und Gemeinden, für die sich mit dem Terminus „behörd­liches Archivgut“ ein Oberbegriff finden läßt. An Aufgaben fehlte es nicht. Die bleibende Errungenschaft der österreichischen Revolution von 1848 war die Grundentlastung gewesen. Mit der Aufhebung des Untei-- tänigkeitsverbandes wurden die Archive der Patrimonialverwaltung zwar nicht herren-, in den Augen weiter Kreise aber gegenstandslos. Auf Grund einer staatlichen Anordnung sollten die Archivalien der früheren Dominien an die neuorganisierten Gerichte übergeben werden. Sie wurden damit staatliches Schriftgut, das dem Einfluß der Länder und wissenschaftlichen Korporationen entzogen war. Da aber der Staat bei der Durchführung dieser von ihm übernommenen Aufgabe häufig versagte, entstanden schwere Verluste, die nur durch das Fortwirken altständischer Traditionen in den Ländern in Verbindung mit der Tätigkeit der immer zahlreicher werdenden historischen Vereine und der Landesmuseen herabgemindert wurden27 28). Durch eine kaiserliche Entschließung vom 14. Juni 1849 waren die Grundzüge der neuen Gerichtsverfassung genehmigt worden29). Zwei Tage später nahm der Monarch die „Grundsätze über die nach erfolgter Geneh­migung der Gerichts-Organisation in den einzelnen Kronländern zu tref­fenden Verfügungen“ zur Kenntnis29). Sie enthielten in § 40, Punkt. 24, die Bestimmung, daß „den in Wirksamkeit tretenden Bezirksgerichten vor der Hand nur die currenten Gerichts-Acten übergeben werden“. Die näheren Weisungen hatten die in den einzelnen Oberlandesgerichtssprengeln gebildeten Gerichtseinführungskommissionen zu erfassen. Die für Ober­österreich und Salzburg zuständige Kommission veröffentlichte am 7. September 1849 eine Instruktion für die Amtsübergabe. Hier beschränkte man sich nicht bloß auf die laufenden Angelegenheiten. Man forderte, daß Weigerungen oder Ausnahmen nicht anerkannt werden. Die Gerichtsherren haben diese Akten „bisher nicht in ihrem Privatinteresse, sondern nur im öffentlichen Interesse als Träger der von der Staatsgewalt an sie delegier­ten Gerichtsherrlichkeit besessen, die nun vom Staate zurückgenommen ist, Das Pfarrarchiv, ebd. 10, 275 ff., K. B ö h m, Anleitung- zum Ordnen von Pfarr- archiven, 2. Aufl. 1912 = Mitt. aus d. Tiroler Landesarchiv 5; Sebastian Mayr, Instruktion zur Ordnung der Pfarrarchive. Ursprünglich im Linzer Diözesanblatt 1902, Nr. 7, dann i. d. Mitt. d. 3. (Archiv-) Sektion 6 (1904), 49 ff., u. Mitt. d. Archivrates 3 (1919), 1—14; O. Wonisch, Das Pfarrarchiv und seine Ordnung (1919). 27) Zum folgenden: W. Gold inger, Zur Geschichte der Pflege des be­hördlichen Archivgutes in Österreich. In: Archivar und Historiker = Schriften­reihe der staatlichen Archivverwaltung 7 (1956), 208—219. Im Jahre 1853 dachte man im Ministerium des Äußern daran, sich bei Aktenausscheidungen der Ge- schichts- und Musealvereine zu bedienen. Haus-, Hof- u. Staatsarchiv: Min. d. Äußern, Adm. Registratur, Index 1853. 28) Reichsgesetzblatt 1849, Nr. 278. 29) Alig. Verwaltungsarchiv: Justizmin. 4723/1849.

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