Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Einleitung

4 Einleitung daher der Gefahr der Simplifizierung nicht immer entgehen7). Er wird etwa von Schatzgewölben und Kanzleiarchiven sprechen, wird in der Grün­dung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs die Ausprägung der Gestalt eines Auslesearchivs erkennen, wird im 19. Jahrhundert die Linie weiter­verfolgen, die zu Fach- und schließlich zu Zentralarchiven führt, die in sich ebenso „historische“ Bestände bergen, die Quellen und den Stoff nie abreißender wissenschaftlicher Forschung, wie das vielfach noch „lebende“ Schriftgut moderner Verwaltungseinrichtungen. Darum mußte sich auch das Berufsbild des österreichischen Archivars mehrfach wandeln. Stellte man 1762 im Hofkammerarchiv einen besonders industriosen und zum sitzen und durchblättern geneigten, mit einer memoria locali versehenen unverdrossenen Mann8) als das Ideal hin, so braucht auch der Archivar der Gegenwart ein Quentchen dieser Eigenschaften seines beruflichen Ahnherrn. Freilich ist er nicht mehr allein der Hüter des Schatzes, nicht mehr der nur Akten priorierende Registrator, ja nicht einmal der bloße Gelehrte von der Art des ausgehenden 19. Jahrhunderts. In einem höheren Sinne muß er dies alles in einer Person sein. So läßt sich auch daraus der Gang der Entwicklung des österreichi­schen Archivwesens erkennen. Die Organisationsformen und Typen, die sich herausschälen lassen, stehen nicht scharf abgegrenzt in Raum und Zeit einander gegenüber. Sie zu analysieren, soll der Inhalt der folgenden Untersuchung sein. 7) Über diese Herkunfts-, Struktur- u. Organisationtypen A. Brenneke- W. L e e s ch , Archivkunde (1953), 93 ff. 8) Österr. Staatsarchiv, Hofkammerarchiv: Camerale 2 ex 1762. Vgl. Mikoletzky, Aus der Frühgeschichte eines Wiener Archivs. In: Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Ge­burtstag von Heinrich Otto Meisner (1956), 123.

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