Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Schatzgewölbe und Kanzleiarchive

I. Schatzgewölbe und Kanzleiarchive.1) Ausgrabungen in Kärnten haben in letzter Zeit eine spätantike Biblio- theks- und Archivanlage freigelegt, die älteste auf dem Boden unserer Heimat2). Mit der römischen Urkunde hat die Kirche auch die Grund­züge des Archivwesens der Völker des Altertums übernommen. So tritt uns auch in Österreich eine an antike Vorbilder gemahnende enge Verbindung von Schatz, Bibliothek und Archiv entgegen3). Der mittelalterliche Schatz, sei er nun geistlich oder weltlich, ist eine sehr komplexe Erscheinung. Wir verdanken es den eindringenden Unter­suchungen von Alphons L h o t s k y, dies sehr deutlich veranschaulicht zu haben4). Für jene Einrichtungen, die wir heute landläufig Archive nennen, muß dazu noch bedacht werden, daß es nicht bloß Sicherheitsgründe sind, die den Zusammenhang mit dem „Schatz“ herstellen. Auch Begriffe wie der der „Memoria“ und der „Fides“ tragen dazu bei, eine solche Ver­bindung zu begründen5). Jedenfalls ist eine enge, schon im Altertum erkennbare Verflechtung von Schatz und Archiv — dieses ganz allgemein als Verwahrungsort von Schriften verstanden — gegeben. Eine Umschrei­bung des Begriffes archivum unter Justinian sagt ausdrücklich: hoc est ubi venerabilia vasa reponuntur6). Auch sonst ist der Zusammenhang mit dem Sakralen leicht erkennbar, mag man dabei an den Satumtempel im alten Rom, der einen Teil des Staatsarchivs beherbergte, oder etwa an die Bundeslade der Juden denken7). Bekannt und in den Handbüchern der Urkundenlehre behandelt ist auch die enge Beziehung, die zwischen dem päpstlichen Schatz und dem päpst­*) Siehe auch Archivalische Zeitschrift 49 (1954), 9—25. 2) Praschniker, Die Versuchsgrabung 1948 auf dem Magdalensberg. Carinthia I, 139 (1949), 145—151. 3) I. Zibermayr, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz im Bilde der Entwicklung des heimatlichen Schriftwesens und der Landesgeschichte3 1950, 18 ff. 4) A. L h o t s k y, Festschrift des Kunsthistorischen Museums zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes II (1941—1945): Die Geschichte der Sammlun­gen, Erste Hälfte, 1 ff. 5) R. Koss-O. Bauer, Archiv korúny ceské I, Dejiny archivu. Cesky zemsky Archiv 1 (1939). Mit deutscher Zusammenfassung, 365—408. 6) Novellen 74, cap. 2, § 2. 7) Für das antike Archivwesen vgl. Casanova, Archivistica2 Siena 1928, 298ff.; Dziatzko, Archive, in Pauly-Wissowa, Realencyclopädie d. classischen Altertumswissenschaft 1, 553—563; A. Brenneke, Archivkunde (1953), 107 ff. Für die römische Entwicklung Cencetti, Gli archivi dell’antica Roma nell’etä Republicana. Archivi 7 (1940), 7—47.

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