Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)
Schatzgewölbe und Kanzleiarchive
10 Walter Goldinger wahrt wurden40). Die Gewölbe der Befestigungsanlagen der wehrhaften Städte boten leicht Gelegenheit, zu sichernde Gegenstände, darunter Archivalien, unterzubringen. In Zwettl befanden sich solche noch am Ausgang des vergangenen Jahrhunderts in einem Mauerturme41). Ebenso waren in Wien die rechtskonstitutiven Urkunden bis 1865 in einem Gewölbe des Eathausturmes, wo auch Wertsachen verwahrt wurden, hinterlegt42). Auch der Adel war bemüht, für die Erhaltung seiner grundlegenden Urkunden Vorkehrungen zu treffen, während die für die Zwecke der laufenden Geschäftsführung benötigten Register, Urbare usw. abgesondert blieben. Doch sind solche Urkundenbestände heute selten mehr in voller Geschlossenheit erhalten. Vieles ist aufgeerbt oder in anderer Weise zersplittert worden, vieles ist durch Besitzübertragungen, Gütereinziehungen und ähnliche Maßnahmen in die Hand der Landesfürsten gekommen. Das zeigt etwa das Beispiel der Herren von Wallsee43). In einzelnen Fällen ist es gelungen, solche Adelsarchive zu rekonstruieren, wie jenes des Konrad von Tulln44), des Hans Geumann und des Hans Prantner45). Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bietet das von Otto Brunner rekonstruierte Archiv der Herren von Dachsberg, soweit es aus der Geschäftsführung des Landmarschallamtes in Niederösterreich von 1392—1402 erwachsen ist. Es stellt den ältesten aus einer amtlichen Tätigkeit entstandenen geschlossenen Archivkörper in Österreich dar46). Bei der Untersuchung aller dieser Fragen ist selbstredend auf die mittelalterlichen Anschauungen und Gewohnheiten gebührend Rücksicht zu nehmen. Die Zersplitterungen als Folge von Teilungen lassen sich erst unter diesem Gesichtspunkt in das rechte Licht stellen. Am wichtigsten ist dies bei der Frage nach dem Geschick der Archive der österreichischen Landesfürsten. Die Grafen von Tirol haben ihre Archivalien auf dem Stammschloß bei Meran aufbewahrt, von dem sie ihren Namen führen47 *). Unter den Habsburgern kamen sie nach 1420, als Innsbruck zu einer dauernden Residenz wurde, in diese Stadt. Ein Teil des habsburgischen Familienarchivs befand sich auf Schloß Baden am Rhein im Aargau. Darüber wurde 1384 ein 40) Das ist den Archivberichten aus Tirol, hgg. v. 0. Redlich und E. v. Ottenthal, 4 Bände, 1888—1912, an vielen Stellen zu entnehmen. 41) K. Uhlirz, Das Archiv der 1. f. Stadt Zwettl in Niederösterreich, 1895, 9. 42) Uhlirz in Quellen zur Geschichte der Stadt Wien II/l, S. III. 43) P. Kletler, Die Urkundenabteilung (Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 3, 29. 44) W. L a t z k e, Die Klosterarchive. Ebda 3, 501 ff., 514 ff. «) Ebda 600 ff. 40) O. Brunner, Das Archiv des Landmarschalls Ulrich von Dachsberg. Mitteilungen d. Vereins f. Geschichte der Stadt Wien 7. 1927. 63—90. 47) O. Stolz, Geschichte und Bestände des staatlichen Archivs (jetzt Landesregierungsarchives) zu Innsbruck. Inventare österreichischer staatlicher Archive 6, 1938, 11.