Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 52. Oswald Gschliesser (Innsbruck): Zur Geschichte der Grundrechte in der österreichischen Verfassung

56 Gschliesser, Bewilligung Vereine zu bilden, insofern Zweck und Mittel der Vereinigung weder rechtswidrig noch staatsgefährlich sind. Die Regelung dieses Rechtes darf nur durch ein Gesetz geschehen“) geregelt. Auf die Formulierung der §§11 und 12 des Kremsierer Entwurfes hatte offenbar das Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, u. zw. dessen § 29 („Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden“) und § 30 („Die Deutschen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden“) eingewirkt. Letztere Bestimmung ist eine fast wörtliche Übersetzung des titre 20 der belgischen Verfassung und auch erstere erweist sich einigermaßen abhängig vom titre 19 der belgischen Verfassung („Les Beiges ont le droit de s'assembler paisiblement et sans armes, en se conformant aux lois qui peuvent regier Vexercice de ce droit, sans néansmoins le soumettre ä une autorisation préalable. Cette disposition ne s’ applique point aux rassemblements en plein air, qui restent entierement soumis aux lois de police“). Artikel 13 („Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Dar­stellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern“) stellt eine wört­liche Übernahme des § 5 des kaiserlichen Patentes vom 4. März 1849 mit dem einzigen Unterschied dar, daß in diesem Paragraphen die Worte „innerhalb der gesetzlichen Schranken“ fehlen. Das kaiserliche Patent hat die erwähnte Bestimmung dem Minderheitsvotum des Kremsierer Verfassungsausschusses zum § 20 Abs. 1 („Jeder Staatsbürger hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern“) entlehnt. Die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche hatte dieses Grundrecht im § 13 des wiederholt angeführten Gesetzes mit denselben Worten festgelegt, nur hieß es dort: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern.“ Die Mehrheit im Kremsierer Verfassungsausschuß hatte sich für die im wesentlichen das­selbe besagende Bestimmung „Jeder hat das Recht, seine Gedanken frei auszusprechen und durch Schrift, Druck oder bildliche Darstellung zu veröffentlichen“ entschieden. Die Pillers- dorfsche Verfassung hatte in § 19 die Freiheit der Rede und Presse garantiert. Daß die belgische Verfassung im titre 14 die freie Meinungsäußerung und im titre 18 die Freiheit der Presse proklamiert hatte, ist bereits oben erwähnt worden. Artikel 13 Abs. 2 („Die Presse darf weder unter Zensur gestellt noch durch das Konzessions­system beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung“) x) lehnt sich mehr an die Gesetzgebung des Jahres 1848 als an das kaiserliche Patent vom 4. März 1849 an. Dieses sprach im § 5 lediglich aus, daß die Presse nicht unter Zensur gestellt werden darf und daß gegen Mißbrauch der Presse ein Repressiv­gesetz erlassen werden wird. Das Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, bestimmte im § 13 Abs. 2, daß die Pressefreiheit „unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Zensur, Konzession, Sicherheitsbestellungen, Staats­auflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehres beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden“ darf. Die Mehrheit des Verfassungsausschusses des Kremsierer Reichstages hat die Pressefreiheit gegen jeden direkten oder indirekten Eingriff in ähnlicher Weise zu schützen versucht wie die Frankfurter Nationalversammlung, wenn sie im § 20 Abs. 2 erklärte, daß das im Abs. 1 (siehe oben) erwähnte Recht „unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch Zensur noch durch Konzessionen, weder durch Sicherheitsleistungen noch durch Staastauf lagen, weder durch Beschränkungen des Buchdrucks und Buchhandels noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere gewerbliche und sonstige * I. 1) Der letzte Satz geht auf den Beschluß des Herrenhauses zurück. Das Abgeordnetenhaus wollte jede Beschränkung der Presse durch administrative Postverbote überhaupt, also auch ausländische Druck­sachen betreffende, ausgeschlossen wissen (Stenographische Protokolle des Herrenhauses, IV. Session, I. Bd., S. 283 f.).

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